Schulaufsatz ade: Schreiben für die Uni

(c) Clemens Fabry
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Richtiges Zitieren, sorgfältige Quellenangaben und eine wissenschaftliche Sprache gehören zum Einmaleins des Uni-Alltags. Doch das muss oft erst gelernt werden.

Wien. Es ist ein großer Sprung. Jener vom Deutschaufsatz in der Schule zur ersten wissenschaftlichen Arbeit an der Universität. Nicht nur Umfang und Aufbau der Arbeit unterscheiden sich grundlegend von der gewohnten Schreibform, auch die Zitierregeln sind für den Großteil der Studienanfänger Neuland. Mit dem richtigen „Werkzeug“ kann das Schreiben von wissenschaftlichen Arbeiten aber schnell erlernt werden, beruhigen die Expertinnen des „writer's studio“ in Wien-Alsergrund.

• Vorbereitung ist wichtig: Gewisse Dinge sollten noch vor Beginn des Schreibens am Institut oder direkt mit dem Professor abgeklärt werden. Dazu zählen sprachliche Vorgaben. Denn während es in manchen Studienrichtungen durchaus erwünscht ist, das Wort „ich“ zu verwenden, ist das in anderen Fächern verpönt. Auch die Zitierweise kann sich zwischen den Instituten – manchmal auch zwischen Professoren – unterscheiden.

• Trennung in Schreibphasen: Von der Entstehung bis zum Abschluss der Arbeit kann man fünf Phasen unterscheiden: Ideenfindung, Struktur entwickeln, Rohtext schreiben, überarbeiten / Feedback einholen, korrigieren (lassen) / abschließen. Der Zeitrahmen sollte für jede einzelne Phase gleich bemessen werden.

• Eine konkrete Fragestellung: Der Grundstein wird mit einer guten Forschungsfrage gelegt. Gerade beim Verfassen der ersten wissenschaftlichen Arbeiten sollte diese nicht zu komplex sein. Fragen wie: „Wie ist es zu Ereignis XY gekommen“, sind für die ersten Uni-Arbeiten völlig ausreichend. Um eine aussagekräftige Antwort zu erarbeiten, hilft es, die Arbeit als eine Art Auftrag zu betrachten. Und sich selbst zu fragen: Was wäre für den Auftraggeber von Interesse?

• Mut zur Lücke: Eine wissenschaftliche Arbeit – vor allem eine Seminararbeit im kleineren Stil – kann nicht alles abdecken. Unter Bedachtnahme auf eine klare Beantwortung der Forschungsfrage ist es durchaus zulässig, Punkte nicht zu behandeln, die zwar im Zusammenhang mit dem Thema stehen, aber nicht unbedingt notwendig sind, um die Frage zu beantworten.

• Literatur radikal beschränken:Vor allem, wenn zum ausgewählten Thema viel Literatur vorhanden ist, gilt es, diese radikal zu beschränken. Am besten ist es, mit einer konkreten Frage an die Fachliteratur heranzugehen. Schon vorab sollte man sich darüber im Klaren sein, welchen Erkenntnisgewinn man aus dem jeweiligen Buch erzielen möchte. Internetquellen werden zumeist nicht gern gesehen; Wikipedia ist als Quelle für eine wissenschaftliche Arbeit nicht geeignet.

• Die Hubschrauberperspektive: Hat man ein genaues Leseziel, bleibt das Auge automatisch bei relevanten Textteilen hängen. Es ist nicht notwendig, ein Buch von Anfang bis Ende zu lesen. Man nähert sich dem Lesestoff aus einer sogenannten Hubschrauberperspektive und versucht, das Wichtigste herauszufiltern. Ein Tipp: immer nur ein Buch nach dem anderen zur Hand nehmen.

• Der Rohtext: Die größte Hürde ist das Niederschreiben der ersten Sätze. Leichter fällt das, wenn man sich klarmacht, dass das Geschriebene vorerst ohnehin nur als Entwurf gilt. Der Text wird in einem weiteren Schritt noch gründlich überarbeitet. So werden etwa sprachliche Mängel später noch ausgemerzt. Wichtig ist es, die ersten Gedanken niederzuschreiben. Dabei darf nicht vergessen werden, gleich den Literaturverweis hinzuzufügen. Um nicht in die Copy-Paste-Falle zu tappen, ist es wichtig, das Buch zu schließen, bevor man zu schreiben beginnt. Damit hält sich der eigene Text nicht nur nicht genau an die Sprache des Originals, durch die freie Wiedergabe ist man auch gezwungen, Dinge einfach und verständlich zu formulieren.

• Verwendung der richtigen Sprache: Wissenschaftliche Arbeiten bedienen sich einer eigenen Sprache. Wichtig ist, auf eine bildhafte Alltagssprache zu verzichten und keine wertenden Aussagen – etwa „böse“, „toll“ oder „teuflisch“ – zu verwenden.

• Zeitmanagement: Sich selbst eine Deadline zu setzten ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das erfolgreiche Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit. Während es bei kürzeren Seminararbeiten durchaus möglich ist, mehrere Seiten pro Tag zu schreiben, sollte man sich das Ziel beim Verfassen einer Diplomarbeit nicht zu hoch stecken. Eineinhalb Seiten pro Tag sind ein gutes Maß, an dem man sich orientieren kann. Immerhin soll dieses Pensum auch über mehrere Monate hinweg gehalten werden. Nach einer Stunde Schreiben kann beruhigt eine Pause eingelegt werden. Generell gilt als Faustregel für umfangreichere Arbeiten: Mindestens ein Tag pro Woche ist „schreibfrei“. Länger als drei Tage sollte die Pause aber nicht sein.

• Die Schreibstätte: Der geeignete Ort zum Schreiben sieht für jeden anders aus. Viele arbeiten gerne in der Bibliothek, andere zu Hause. In Anbetracht dessen, dass das Schreiben einer Diplomarbeit einige Monate dauern wird, ist es aber durchaus empfehlenswert, gemeinsam mit anderen zu schreiben, um während des langwierigen Schreibprojekts nicht zu vereinsamen.

• Die Belohnung: Ein gutes Essen, ein netter Film: Auch, wenn es etwas einfältig klingt – um die Motivation zu steigern, hilft es, sich eine Belohnung in Aussicht zu stellen.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.writersstudio.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2011)

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