Bis aufs Blut gereizt: Frustabbau in der Koalition

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Faymann und Spindelegger beraten SPÖ-Ärger und ÖVP-"Irritationen". ÖVP-Vorstand für Freitag einberufen. Für neuen Diskussionsstoff sorgen ÖBB-Inserate in Architekturmagazin unter Berufung auf Ex-Verkehrsminister.

Wien. Routine war nur der Umstand, dass sich Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger traditionell am Vorabend der Ministerratssitzung treffen. Sonst sorgten die Begleitumstände dafür, dass es sich an diesem Montag um ein außergewöhnliches Treffen der beiden Parteichefs handelte: eine ÖVP-Parteibasis, die Aufklärung über die Vorwürfe der Einflussnahme von Faymann und seinem Ex-Kabinettschef Josef Ostermayer bei der Inseratenvergabe der ÖBB und der Autobahn-Gesellschaft Asfinag in ihrer Zeit im Infrastrukturministerium verlangt; ein über den Koalitionspartner ÖVP grantiger Regierungschef; fieberhafte Bemühungen, bei der Koalitionsarbeit nun endlich wieder Ergebnisse vorweisen zu können.

Fekter: Großer Erklärungsbedarf

Finanzministerin Maria Fekter, immerhin auf ÖVP-Seite Regierungskoordinatorin, reizte den Koalitionspartner SPÖ nochmals bis aufs Blut. Faymann habe wegen der Inseratenkampagne „großen Erklärungsbedarf“. In welcher Form dies geschehen könnte, darüber berieten die Koalitionsspitzen am Montag. Die ÖVP sei jedenfalls „irritiert“.

Fekter war damit Sprachrohr vieler „kleiner“ ÖVP-Funktionäre, die zuletzt die Parteiführung gedrängt haben, gegen Faymann wegen der Inseratenaffäre nicht lockerzulassen. Für den Freitag wurde der ÖVP-Bundesparteivorstand einberufen. Nach „Presse“-Informationen handelt es sich um eine in der Vorwoche kurzfristig verschobene Sitzung. Auf der Tagesordnung stehen vorerst nur reguläre Berichte der Parteispitze.

Faymann war verärgert, dass die ÖVP bei den Attacken auf ihn an vorderster Front mitmacht. Damit biete die Koalition einmal mehr ein Bild der Zerstrittenheit.

Spindeleggers Vorstoß in der „Presse am Sonntag“, Regierungsinserate verschärft, etwa mit Hilfe einer unabhängigen Kommission zu kontrollieren oder generell zu untersagen und dafür die Presseförderung anzuheben, hat die Stimmung zusätzlich aufgeladen – und zu empörten Reaktionen auch bei der Zeitung „Heute“ geführt. Aus dem Büro des Medienstaatssekretärs Ostermayer heißt es dazu, dass man dies nur im Rahmen der Evaluierung der Presseförderung diskutieren könne, für die auf keinen Fall mehr Geld zur Verfügung stehe. Was eine unabhängige Kommission betreffe, warte man selbst gespannt auf das Fünf-Parteien-Gespräch zum Medientransparenzgesetz heute, Dienstag. Ob die Abschaffung der Regierungsinserate von Seiten der ÖVP radikal gemeint war, ist freilich fraglich: Denn das müsste dann auch rein informative Inserate ohne Politiker-Konterfei betreffen.

Im Parlament laufen Gespräche von SPÖ und ÖVP mit den drei Oppositionsparteien zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Bis zur Nationalratssondersitzung am Freitag dieser Woche soll Klarheit herrschen, was neben den Korruptionsvorwürfen um die Telekom tatsächlich untersucht wird.

Zur Vergabe von Inseraten tauchen derzeit regelmäßig neue Belege für Anfragen wegen Inseraten im Zusammenhang mit den ÖBB und Bundeskanzler Faymann auf. Der „Presse“ liegt ein Schreiben des Architekturmagazins „ST/A/R“ aus dem Jahr 2008 vor, in dem sich der Herausgeber direkt auf Faymann bezieht: „Wie ich bei der Ausstellungseröffnung... besprochen habe, hat uns Bundesminister Faymann beauftragt, in unserer ST/A/R-Zeitung Nr. 19 (Erscheinungstermin: September 2008) einen 8-seitigen Bericht über die großen Verkehrsbauten zu gestalten (Westbahnhof, Südbahnhof, Lainzer Tunnel)... In diesem Zusammenhang ersuchen wir um eine professionelle Werbe-Einschaltung über die Aktivitäten der ÖBB...“

Gegenüber der „Presse“ relativiert der Herausgeber, Heidulf Gerngroß, aber den Auftrag des Ministers: Er habe Faymann zufällig über dessen Staatssekretär Ostermayer kennengelernt, den er aus dessen Zeit beim Wiener Wohnbau kenne. Nach einem losen Gespräch habe er sich in dem Brief auf Faymann bezogen. Es habe, sagt Gerngroß, dann tatsächlich eine Kooperation mit den ÖBB gegeben, ob als Folge dieses Briefes oder eines anderen könne er nicht mehr sagen. Bei den ÖBB heißt es, man bekomme öfter Anfragen, in der sich Anzeigenleiter, um Druck zu machen, auf Gespräche mit Politikern beziehen.

Schützenhilfe bekam der Kanzler von Doris Bures (SPÖ), seiner Nachfolgerin im Infrastrukturministerium. Sie schließe aus, dass „ein Regierungsmitglied ÖBB- oder Asfinag-Inserate geschaltet“, so Bures. Die Politik gebe aber natürlich Themen vor, die öffentlich gemacht werden sollten.
Polit-Inserate: Wer Profitiert S.23

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2011)

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