Wirtschaftskunde: Nicht genügend

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Viele Österreicher wissen mit wirtschaftlichen Alltagsbegriffen wenig anzufangen. Das kann, wie im Fall der Fremdwährungskredite, verheerende Folgen haben. Eine aktuelle Befragung stellt ein schlechtes Zeugnis aus.

Wien/Heso. Eine aktuelle Befragung stellt den Österreichern in puncto wirtschaftliches Grundwissen ein schlechtes Zeugnis aus. Mehr als die Hälfte der Befragten konnte nicht erklären, was „Bruttoinlandsprodukt“ bedeutet und 60 Prozent wussten nicht, was der Leitindex der Wiener Börse – der ATX – eigentlich ist. Selbst einen vergleichsweise alltäglichen Begriff wie „Zinsen“ konnten vier von zehn Befragten nicht auf Anhieb erklären, obwohl fast alle Österreicher ein eigenes Konto haben.

Dabei zeigte die Befragung, die vom Imas-Institut unter 500 Personen über 15 Jahren durchgeführt wurde, dass sich das Finanzwissen im Vergleich zum Vorjahr immerhin ein wenig verbessert hat. Bei der ersten Studie im Juli 2010 konnten nur 43 Prozent eine richtige Erklärung für „Zinsen“ geben. Zudem orten viele der Befragten selbst Nachholbedarf: Jeder Vierte findet, dass in der Schule zu wenig über Wirtschaft und Finanzen gelehrt wird.

Wirtschaftskompetenz fördern

Die Erste Bank, in deren Auftrag die Befragung durchgeführt wurde, will sich deshalb verstärkt für finanzielle Allgemeinbildung engagieren. „Wir wollen keine Produkte verkaufen, die weder unsere Berater noch unsere Kunden verstehen“, erklärte Vorstandssprecher Thomas Uher am Dienstag bei der Präsentation der Befragung.

Verschiedene Workshops und Programme für Kinder und Jugendliche gibt es zu dem Thema bereits, etwa den „Finanzführerschein“ der Vorarlberger Schuldnerberatung. Die Erste Bank hat in Zusammenarbeit mit dem Unterrichts- und dem Sozialministerium nun den Unterrichtsbehelf „Sparefroh TV“ herausgegeben. In Animationsfilmen sollen Volksschulkindern grundlegende Themen wie Schulden, Sparen und Kredit nähergebracht werden. Uher betonte, dass sein Institut damit keine Werbung für eigene Produkte machen würde, auch wenn auf der Brust des wiederbelebten Maskottchens Sparefroh das Sparkassen-Logo prangt.

Klagen über schlechte Beratung

Dass die Banken gut daran täten, mehr in die wirtschaftliche Kompetenz ihrer (künftigen) Kunden zu investieren, weiß auch Beate Blaschek, Leiterin der Abteilung Finanzdienstleistungen und Verbraucherbildung des Sozialministeriums: „Wir bekommen viele Beschwerden wegen schlechter Beratung bei Veranlagungen oder Fremdwährungskrediten.“ Sie hält es für besonders wichtig, dass die Konsumenten ihre Rechte und Pflichten kennen, auch wenn man kein Detailwissen verlangen kann.

So sei etwa die amerikanische Hypothekenkrise (die in Folge die internationale Finanzkrise auslöste) von Kreditnehmern mitverursacht worden, denen die Konsequenzen der von ihnen gekauften Produkte nicht bewusst waren. Ein ähnliches Problem sieht Blaschek nun bei den Fremdwährungskrediten: „Das war ein hoch spekulatives Produkt, das den Kunden anfangs überhaupt nicht richtig erklärt wurde. Das Risiko wurde immer heruntergespielt.“

Generell mangle es laut Blaschek in Österreich an Interesse und Verständnis: „Die meisten lesen nicht einmal den Wirtschaftsteil der Gratiszeitungen.“ Sie wünscht sich daher ein groß angelegtes Konzept, wie die Kompetenzen der Österreicher bei Wirtschaft und Finanzen verbessert werden könnten. „Das wird natürlich einiges kosten, aber die volkswirtschaftlichen Kosten sind sonst möglicherweise noch höher.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2011)

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