Die Regierung der Schwafler

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Ob Aufklärung von Korruptionsvorwürfen oder simple Regierungsarbeit: Faymann und Spindelegger machen es Bürgern leicht, Scheinaktivitäten zu durchschauen.

Der Arzt aus Oberösterreich, dem in Dubai wegen hierzulande nicht nachvollziehbarer Vorwürfe bezüglich fahrlässiger Tötung die Todesstrafe droht, darf heute, Mittwoch, zu seiner schwer kranken Ehefrau heimreisen. Mit dieser erfreulichen Ankündigung blieb es Außenminister Spindelegger beim Pressefoyer nach dem Ministerrat vorbehalten, die einzig echte Erfolgsnachricht der gestrigen Regierungssitzung zu vermelden.

Das spricht Bände über das Wirken dieser rot-schwarzen Bundesregierung. Denn abgesehen vom Beschluss der schon länger vereinbarten Zusatzmillionen für den Ausbau der Kinderbetreuung, die viele Familien und Alleinerziehende im täglichen Leben betrifft, wurden die Österreicher wieder einmal mit Aufforderungen an die Sozialpartner (zur Eindämmung der Frühpensionen) und an die Landeshauptleute (zu Einsparungen in der Verwaltung) auf den Herbst vertröstet. Ihnen kommen derartige Versprechen aus dem Mund der Regierungsspitzen bekannt vor? Eben!

Dabei liegen Bundeskanzler Faymann und Spindelegger mit ihren Analysen über die dunklen „Wolken“ am Wirtschaftshimmel für 2012 und die notwendigen weiteren Aktivitäten zum Bremsen der Budgetausgaben goldrichtig. Umso mehr müssen sich die Österreicher gepflanzt fühlen, was ihnen die beiden Chefs der Regierung als Gegenmaßnahmen und als Werk einer „Reformpartnerschaft“ von SPÖ und ÖVP einreden wollen. Schranken für Frühpensionen und Anreize für längeres Arbeiten? Gut. Aber dazu hätten die für eine rot-schwarze Koalition unvermeidlichen Sozialpartner nach früheren Aussagen Faymanns schon im Mai und nach dem Zeitplan von Sozialminister Hundstorfer bis zum Sommer längst Vorschläge liefern sollen. Der neue Termin lautet nun 10. Oktober. Erwartungen, dass die Österreicher dann bald länger arbeiten, statt in die Frühpension zu gehen, können angesichts bisheriger Zwischenergebnisse gleich vergessen werden. Der konkreteste und vernünftigste Vorschlag kommt von Finanzministerin Fekter: Golden Handshakes sollten auf dem „Abschneider“ in die Frühpension nicht auch noch steuerlich begünstigt werden. Das wird gerade von Sozialminister, ÖGB und Arbeiterkammer torpediert.

Dann hätten wir noch einen neuen Anlauf zur Einrichtung einer Transparenzdatenbank, um Doppelgleisigkeiten bei Sozialleistungen und Förderungen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene zwecks sorgsameren Umgangs mit kostbarem Steuergeld aufzuspüren. Diese Ankündigung grenzt an Verhöhnung: Denn ginge es nach den Versprechen von Faymanns Koalition, müsste die Regierung längst mit einem Mitte 2010 (!!!) angedrohten Verfassungsgesetz Druck für mehr Transparenz machen. Stattdessen tanzen die Länder, angeführt von Wien, der Regierung auf der Nase herum.

Ein Treffen mit den Landeshauptleuten über Verwaltungsreform und Vereinfachungen ist ebenfalls geplant. Wow! Wer soll denn die Worte Faymanns von mehr Effizienz und Einsparungen ernst nehmen, wenn ihm sein SPÖ-Parteikollege, Wiens Bürgermeister Häupl, seit Jahren die lange Nase dreht und Wien teure Pensionsschutzzone für Gemeindebeamte bleibt?


Dabei büßt die Politik eben ohnehin ihr Restpensum an Vertrauen in der Bevölkerung angesichts eines Schwalls an Korruptionsvorwürfen ein. Gleichzeitig schafft es die Regierung – auf Drängen des Vizekanzlers – gerade einmal, die künftige Vergabe von Regierungsinseraten mit einem Beirat besser kontrollieren zu wollen. Faymann wehrt Vorwürfe, er habe Einfluss auf die Inseratenvergabe der ÖBB mit der platten Rechtfertigung ab, er habe als Minister kein Weisungsrecht gehabt. No, na! Aber der neben ihm stehende Vizekanzler weicht auf die Frage nach der Einsetzung eines Untersuchungsausschuss dennoch mit dem Hinweis aus, ein solcher Ausschuss sei Angelegenheit des Parlaments.

Schonungslose politische Aufklärung sieht anders aus. Funktionierende Regierungsarbeit erschöpft sich nicht darin, nach dem Ministerrat Differenzen in der Koalition herunterzuspielen und im Duett Aktivität vorzutäuschen. Selbst der einfachste Bürger entlarvt das als leeres Geschwafel.

E-Mails an: karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2011)

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