Hintergrund: Israels Siedlungsbau als Dauerstreitpunkt

 Israels Siedlungsbau als Dauerstreitpunkt
Israels Siedlungsbau als Dauerstreitpunkt(c) EPA (Abir Sultan)
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Rund 299.400 jüdische Siedler leben im Westjordanland. Nach Ansicht der internationalen Gemeinschaft ist der Siedlungsbau völkerrechtswidrig.

Der Bau jüdischer Siedlungen in den von Israel besetzten Gebieten ist eines der größten Hindernisse für Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern. Vor dem Hintergrund intensiver internationaler Bemühungen um eine Wiederaufnahme der Nahost-Friedensgespräche hat Israel erneut den Bau Hunderter zusätzlicher Wohnungen in einer jüdischen Siedlung im besetzten Ost-Jerusalem genehmigt und ist damit auf internationale Kritik gestoßen.

Ein neues Moratorium für den Siedlungsbau, das für die palästinensische Führung vor weiteren Verhandlungen unverzichtbar ist, lehnt Premier Benjamin Netanyahu strikt ab. 2009 hatte Netanyahu unter dem Druck der USA einen zehnmonatigen Siedlungsstopp mit Einschränkungen (Ostjerusalem ausgenommen) bekanntgegeben, nachdem US-Präsident Barack Obama die Beendigung des israelischen Siedlungsbaus im Westjordanland verlangt hatte.

USA verhinderten UNO-Resolution

(c) APA

Im vergangenen Jahr verweigerte Israel jedoch die Verlängerung des zehnmonatigem Siedlungsstopps. Die Palästinenser brachen die Gespräche daraufhin ab. Washington ging von der Forderung nach einem israelischen Siedlungsstopp ab, ein US-Veto im Weltsicherheitsrat brachte heuer eine (von den 14 anderen Ratsmitgliedern unterstützte) UNO-Resolution zur Verurteilung des Siedlungsbaus zu Fall.

Nach Ansicht der internationalen Gemeinschaft verstößt der Siedlungsbau gegen Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention und ist daher völkerrechtswidrig. Der Artikel legt fest: "Besatzungsmächte (dürfen) Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerungen nicht in besetzte Gebiete umsiedeln." Israel argumentiert dagegen, die Palästinensergebiete seien nicht im ursprünglichen Sinne besetztes Gebiet. Ost-Jerusalem sei zudem Teil der "ewigen und unteilbaren Hauptstadt Israels", eine von den meisten Staaten nicht anerkannte Annexion.

Nach Angaben des israelischen Zentralbüros für Statistik leben im Westjordanland rund 299.400 Siedler (Stand 2009). Dazu kommen etwa 190.000 Israelis in Ost-Jerusalem. Die israelische Menschenrechtsorganisation B'tselem hält die tatsächlichen Zahlen laut der Deutschen Presse-Agentur für deutlich höher. Nach B'tselem-Berichten wurden von 1967 bis Mitte 2010 im Westjordanland 121 Siedlungen errichtet. Hinzu kommen etwa hundert "wilde Siedlungen", die von den israelischen Behörden nicht genehmigt sind. Die Friedensorganisation Peace Now (Shalom Ahshav) kritisiert, dass immer mehr dieser illegalen "Vorposten" nachträglich von der Regierung (nach israelischem Recht) als Siedlungen legalisiert werden.

Viele Straßen für Palästinenser gesperrt

Nicht nur die Siedlungen selbst sind für Palästinenser tabu, diese dürfen auch mehrere für die Siedler bestimmte Straßen nicht befahren. Im fruchtbaren Jordan-Tal sind nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) knapp 80 Prozent der Fläche für Palästinenser tabu. Auch vier von fünf Straßen dürfen sie dort nicht befahren. Laut OCHA gibt es im September 2011 im gesamten Westjordanland 522 Sperren und Kontrollposten der israelischen Streitkräfte. Etwa 200.000 Palästinenser aus 70 Orten seien darum bis zu fünfmal so lange zur nächsten Stadt unterwegs wie ohne Blockaden.

Die Bevorzugung von israelischen Siedlern gegenüber Palästinensern sei "klar diskriminierend", betonen UNO-Experten in Genf. Auch die Zerstörung von Wasserzugängen sei alarmierend. Mindestens 20 Zisternen und 12 Brunnen habe Israel seit Jahresbeginn zerstört. Dies habe Folgen für den Wasserzugang von Zehntausenden Palästinensern. Die Zerstörung von landwirtschaftlichen Anlagen verschärfe zudem die Ernährungsunsicherheit der Palästinenser im Westjordanland.

(Ag.)

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