Saudiarabien: Seine königliche Hoheit lässt wählen

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Die Kommunalwahlen werden im größten Golf-Königreich Saudiarabien kaum wahrgenommen. Dementsprechend hält sich das Interesse in engen Grenzen. Die Demokratisierung schreitet auch weiterhin nur sehr zaghaft voran.

Riad. Zum zweiten Mal in der Geschichte des Königreichs werden heute, Donnerstag, die Stadträte gewählt, aber zu sehen oder zu hören ist davon im Land so gut wie nichts. Laut Gesetz dürfen Kandidaten keine Wahlplakate aufhängen oder in öffentlich genutzten Gebäuden oder gar im Radio oder Fernsehen werben. Sie dürfen nur Debatten und Seminare organisieren und die Wähler zu Hause besuchen. Dementsprechend hält sich das Interesse in engen Grenzen.

„Die Leute wurden vor sechs Jahren gewählt“, sagt zum Beispiel der Student Saif Al Ghamdi, der nicht wählen gehen wird, „aber seitdem hat man nie mehr etwas von ihnen gehört. Kann schon sein, dass sie keine Macht haben, aber sie haben auch überhaupt nichts unternommen.“

Frauenwahlrecht 2015

Ohnehin wurden die Wahlen von einer viel wichtigeren Nachricht in den Hintergrund gerückt. Am Sonntag hat König Abdullah den Frauen des Landes das Wahlrecht gegeben. Allerdings werden sie es erst bei den nächsten Wahlen, möglicherweise im Jahr 2015, wahrnehmen können. Zwar hatten Frauengruppen gehofft, dass der König den saudischen Frauen das Autofahren erlauben werde, aber viele Frauen begrüßten die Ankündigung als symbolischen Sieg.

Entscheidender wird allerdings sein, dass der König in zwei Jahren auch Frauen in den Schura-Rat aufnehmen will. Der König selbst wählt die Mitglieder aus, und der Rat hat keine gesetzgebende, sondern nur beratende Funktion, aber die jüngsten Monate haben gezeigt, dass, sobald der Rat eine Reforminitiative wie das Verbot der Kinderheiraten aufgreift, diese eine gute Chance hat, ein Dekret des Königs – und damit Gesetz – zu werden.

Doch bald sollte der Schock folgen: Eine der Autoaktivistinnen wurde am Dienstag zu zehn Peitschenhieben verurteilt. Zwei andere sollen vor Gericht belangt werden. Der Rechtsanwalt Waleed Abou Khair sagte, seine Klientin Najla Hariri sei am Sonntag von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Ihr Gerichtsverfahren sei für Oktober angesetzt. Ein zweiter Prozess ist in der Ostprovinz anhängig. Nach einer Kampagne im Juni haben sich bis zu einhundert Frauen in Saudiarabien selbst hinters Steuer gesetzt, und die Verkehrspolizei hat in den allermeisten Fällen beide Augen zugedrückt. Einige Frauen wurden zwar aufs Revier zitiert, wo sie ein Papier unterschreiben mussten, dass sie nicht mehr fahren werden, aber sie wurden nicht strafverfolgt.

Beobachter gehen davon aus, dass die De-facto-Duldung der Polizei dem Umstand geschuldet war, dass das Fahrverbot für Frauen innerhalb der rund 5000 Prinzen und Prinzessinnen zählenden Königsfamilie umstritten war und dass die Verhaftung der Aktivistin Manal Al Scharif im Mai einen Aufschrei in den internationalen Medien ausgelöst hat.

Mit den Lokalwahlen tat Saudiarabien den USA im Jahr 2005 einen Gefallen, als der damalige Präsident George W. Bush die Länder der Region zu mehr Demokratie aufforderte. Damals kündigte Saudiarabien auch weitere zarte Schritte in Richtung mehr Mitbestimmung an. Dazu ist es jedoch nicht gekommen.

Ohnehin war schon damals die Wahlbeteiligung äußerst gering, und gewählt wurden fast ausschließlich Kandidaten der sogenannten „Goldenen Liste“, die das religiöse Establishment über die lokalen Moscheen hatte veröffentlichen lassen. Die zweiten eigentlich für 2009 geplanten Wahlen wurden aus „logistischen Gründen“ auf unbestimmte Zeit verschoben, und erst nachdem der sogenannte Arabische Frühling in der Region ausbrach, für September 2011 angesetzt.

Wahlberechtigtenzahl begrenzt

Die Regierung hat diesmal die Zahl der Wähler von 7000 bei den ersten Wahlen des Landes vor vier Jahren auf 130.000 angehoben. Nach welchen Kriterien die Regierung die Wähler bestimmt hat, wurde jedoch nicht öffentlich bekannt, und diese Zahl stellte auch immer noch eine geringe Minderheit der erwachsenen Bevölkerung dar. Der Nationalrat verfügt ausschließlich über eine beratende Funktion. Keiner der Golf-Staaten hat ein repräsentatives Parlament, das die Macht hat, Gesetze zu beschließen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2011)

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