Die Rache der „Entrechteten“

Hinter dem Gewaltausbruch gegen einen bulgarischen Roma-Boss stehen Politikversagen und Rassismus.

Dass der, der Geld hat, die Macht hat, mag mancherorts wie ein abgeschmacktes Klischee klingen. In Bulgarien ist es hingegen wahr – zumindest in der Wahrnehmung vieler Bürger, die sicher sind, dass man sich mit dem Aufbegehren gegen Gesetzlose höchstens Probleme einhandelt. Die Missachtung des Rechtssystems durch zwielichtige Unternehmer und Politiker wird allzu oft als Normalität akzeptiert. Dass nun ausgerechnet ein tragischer Unfall, der vom Vertrauten eines Roma-Bosses verursacht wurde (nicht von diesem selbst!), zum Anlass für Ausschreitungen wurde, ist auf den ersten Blick ungewöhnlich: Wie viele Häuser hätten da in der Vergangenheit schon brennen müssen!


Aber es geht eben nicht nur um einen kriminellen Einzelfall, wie manche nun behaupten. Ein „Ziganin“ wie Roma-Boss Raschkow, der sich bereichert hat, wird zum Sündenbock für ein krankes System. Die „Entrechteten“ greifen zur Selbstjustiz und wähnen sich im Recht – ein fataler Irrtum. Den Blick darauf verschließt der „Antiziganismus“, ein offensichtliches, aber tabuisiertes bulgarisches Problem.

Dass Raschkow jetzt, nachdem sein Anwesen abgefackelt wurde, verhaftet wurde, ist nur ein weiterer Beleg für das Versagen des Staates. Jahrelang hat die Polizei ihn davonkommen lassen – und nun überlässt sie sein Haus den Brandschatzern. Dass es pogromartiger Übergriffe bedarf, bevor gehandelt wird, ist ein Armutszeugnis für die Regierung von Premier Borissow.

jutta.sommerbauer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2011)

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