In Zeiten wachsender Konjunktursorgen zieht es die Geldgeber in große, liquide Märkte wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien. Zudem wird die Schere zwischen Top-Immobilien und Randlagen größer.
Die europäischen Immobilienmärkte zeigen noch kaum Spuren einer Konjunkturabschwächung. Im zweiten Quartal wechselten laut CB Richard Ellis in der Region Europa, Naher Osten und Afrika Gewerbeimmobilien im Wert von 25 Milliarden Euro den Besitzer; das ist gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres ein Rückgang von drei Prozent.
Das hängt auch damit zusammen, dass der Immobilienmarkt der allgemeinen Konjunkturentwicklung hinterherhinkt: Bauvorhaben haben lange Vorlaufzeiten, Mietverträge werden für mehrere Jahre abgeschlossen. Preise und Mieten hielten sich daher im zweiten Quartal noch stabil. Die Experten von CB Richard Ellis sahen noch „den Trend einer schrittweisen, allgemeinen Erholung der europäischen Immobilienmärkte“. Doch seien die Investoren vorsichtiger geworden. Es zieht sie vor allem nach Nordeuropa oder Deutschland, während sie von Spanien, Italien oder Griechenland die Finger lassen.
Trend zu Spitzenobjekten
Daran habe sich im dritten Quartal wenig geändert, stellt Andreas Ridder, Österreich-Chef von CB Richard Ellis, fest. Doch habe sich in den vergangenen Wochen überall der Trend zu Spitzenobjekten verstärkt. Dagegen werde es schwieriger, Büros mit kurzen Mietverträgen, in Randlagen oder von schlechter Qualität zu verkaufen.
In den Boomzeiten vor der letzten Krise 2008 sahen die Investoren in solchen Objekten wegen der niedrigen Preise gute Ertragschancen. Seither gehe die Schere zwischen Spitzenobjekten und Häusern von weniger guter Qualität auseinander. Dieser Trend werde sich in der nächsten Zeit zuspitzen, meint Ridder. Auch deshalb, weil die Banken ungeduldig würden und nicht mehr warten wollten, bis diese Objekte endlich gute Erträge abwerfen. „Aufgrund der aktuellen Probleme der Banken in Europa ist eine solche Erwartungshaltung sehr realistisch“, meint der Experte.
Große Märkte haben es auch unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Lage leichter, den Investoren Sicherheit zu bieten. Wegen der größeren Liquidität ist die Wahrscheinlichkeit, jederzeit einen Käufer zu finden, der einen passablen Preis bezahlt, höher als in kleinen Märkten.
Risikoaverse Investoren
Deutschland, Frankreich oder Großbritannien liegen vor allem im Visier der Investoren, berichtet Giles Wilcox, bei Savills für Cross Border Investment zuständig. Auch er ortet innerhalb dieser Märkte einen Trend zu sehr guten Objekten, auch wenn diese relativ teuer sind. Vor allem risikoaverse Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen würden die Nachfrage nach solchen Objekten stabil halten.
Dass der bankenlastige Londoner Immobilienmarkt im Fall einer neuerlichen Finanzkrise schwerer getroffen würde als andere Märkte, glaubt Wilcox nicht. Das Interesse der Investoren sei berechtigt, da das Angebot knapp sei. Das sorge in unsicheren Zeiten für Stabilität.
Abgesehen von den „Großen Drei“ (Großbritannien, Deutschland, Frankreich) schätzten die Investoren auch nordeuropäische Märkte wie Schweden.
Von osteuropäischen Ländern ließen große Geldgeber eher die Finger – ausgenommen Polen. Dort hielt sich die Wirtschaft zuletzt gut, was vor allem Einzelhandelsimmobilien nütze. Russland sei zwar ebenfalls ein sehr großer Markt; dort mache aber die politisch unsichere Lage die Geldgeber vorsichtig.
EHL-Experte Franz Pöltl – das Unternehmen ist auf Österreich und Osteuropa spezialisiert – ortet Investoreninteresse vor allem in den Märkten Polen und Tschechien: Ursache sei, dass man das Eurorisiko meiden wolle. Zwar sichern die Investoren ihre Geschäfte gegen Währungsrisiken ab. Doch hofften sie, dass Polen und Tschechien von der Euroschuldenkrise weniger in Mitleidenschaft gezogen werden.
Auch die Investoren aus dem angelsächsischen Raum, die von Osteuropa noch vor zwei Jahren lieber die Finger ließen, würden langsam zurückkehren, stellt Pöltl fest. Immerhin seien die Preise in Warschau deutlich niedriger als etwa in Wien, das Risiko sei aber nicht um so viel höher.
Was Ungarn betrifft, so würden die jüngsten politischen Entwicklungen – wie die Entlastung von Fremdwährungskreditnehmern auf Kosten der Banken – die Geldgeber eher beunruhigen, stellt Pöltl fest.
Rumänien erhole sich dagegen langsam von der letzten Krise. Mit einem plötzlichen Boom sollte man hier aber nicht rechnen. Dafür dürfte es jetzt auch nicht mehr zu einem so starken Rückgang wie nach der Finanzkrise 2008 kommen.