Entkoppelung: Die Schuldenkrise zieht weite Kreise

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Angesichts der trüben Konjunkturaussichten stellt sich die Frage, welche Immobilienmärkte in Europa in Mitleidenschaft gezogen werden. Ein Nord-Süd-Gefälle zeichnet sich ab.

Die Turbulenzen auf den Kapitalmärkten – infolge der Staatsschuldenkrise – werden die Konjunkturaussichten der europäischen Volkswirtschaften in den nächsten Monaten überschatten. Dies wird sich auch auf die europäischen Immobilienmärkte auswirken. Die Frage wird sein, ob alle europäischen Märkte von der Krise erfasst werden, oder ob sich einzelne Regionen abkoppeln werden können. Womit sollten Investoren langfristig rechnen?

Eintrübung befürchtet


Noch halten viele Banken und Investoren an ihrer positiven Einschätzung für kommerzielle Immobilien fest. Man geht davon aus, dass das globale Investitionsvolumen in den nächsten Quartalen in der Nähe des aktuellen Niveaus verharren wird. Das positive Bild könnte jedoch getrübt werden, wenn größere Volkswirtschaften wieder in die Rezession abgleiten oder sich die Staatsschuldenprobleme in der Eurozone verschärfen, sagt Oliver Adler, Managing Director, Head Global Economics & Real Estate Research der Credit Suisse. Bereits jetzt sei ein sinkendes Vertrauen – sowohl bei Mietern als auch bei Investoren – festzustellen, führt Chris Bell, Managing Director für Europa beim Immobilienberatungsunternehmen Knight Frank aus.
Während das Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr 2011 das Ergebnis des ersten Halbjahres 2010 um rund 15 Prozent überflügelt hat, sind die Verkaufsumsätze in Großbritannien und den Euroländern im zweiten Quartal bereits rückläufig. Immer mehr Investoren fokussierten sich auf Regionen mit gesunder Wirtschaft wie Deutschland und Nordeuropa. Da in den letzten beiden Jahren die Renditen in vielen Kernmärkten gesunken seien, sei darüber hinaus das Interesse an zentraleuropäischen Ländern mit höheren Renditen gestiegen, so der Experte von Knight Frank. Laut den Experten wird sich die starke Polarisierung der Märkte auch in den kommenden Monaten fortsetzen.


Auch nach Einschätzung von Karl-Joseph Hermanns-Engel, Geschäftsführer Union Investment Real Estate GmbH, hat sich – verstärkt durch die Schuldenkrise in einigen Euroländern – ein fundamentaler Trend herausgebildet, der Investitionsentscheidungen in Europa maßgeblich beeinflusst: das Decoupling, die Entkoppelung der europäischen Immobilienmärkte, die sich in einem immer steiler werdenden Nord-Süd-Gefälle ausdrückt. Die stabilen Volkswirtschaften im nördlichen Europa, allen voran die skandinavischen Staaten, Deutschland, Österreich und die Schweiz, aber auch die Benelux-Staaten bieten mit ihren gesunden Fundamentaldaten den sicherheitsorientierten Akteuren ein verlässliches Investitionsumfeld.
Zugleich werde sich wegen der Staatsschuldenkrise auch die Risikoaversion, die sich an den sich ausweitenden Spreads von Unternehmensanleihen und Immobilien gegenüber Staatsschulden zeigt, weiter zunehmen, sagt Jacques Gordon, Global Strategist von LaSalle Investment Management. Infolge der Angst vor einer weiteren Ausbreitung der Krise würden sich große Unternehmen und Investoren zurückhalten, geschäftliche Entscheidungen zu treffen und wohlüberlegte Risken einzugehen.

Bankeneinfluss


Hinzu kommt, dass sich der Bankensektor von der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 bis heute nicht erholt hat. Jetzt rächt sich das Versäumnis der Politik, den Finanzsektor umfassend zu regulieren. Auch deshalb müssen die europäischen Regierungen ein Rettungspaket nach dem anderen schnüren, um ihre Banken zu retten. Falls sich der Stress im Bankensektor weiter zuspitzt, ist auch mit Kreditrationierungen zu rechnen.
Auch Knight Frank geht davon aus, dass restriktive Kreditvergaben den Investmentmarkt negativ beeinflussen werden. Die Geldgeber gewähren gern Kredite für erstklassige Objekte und diese stehen in starkem Wettbewerb miteinander. Doch nach wie vor ist es äußert schwierig, Darlehensgeber für zweit- und drittklassige Investments zu finden. Zwar hätten sich mittlerweile erste Mezzanine-Finanzierer etabliert, aber deren Finanzierungsvolumina seien in Relation zum Gesamtmarkt zu vernachlässigen.

Weiter im Abseits?


Mit Blick auf die sich verstärkenden Unsicherheiten an den Märkten stellt sich die Frage, ob die Krisenländer weiter im Abseits stehen werden, oder ob sie die Gunst der Anleger bald wieder gewinnen können.
Nach Ansicht der Credit Suisse werden sich die seit dem vergangenen Jahr zu beobachtenden deutlichen Performanceunterschiede in Kontinentaleuropa auch in den Folgemonaten weiter fortsetzen. So dürften die Immobilienmietmärkte in Spanien, Irland und Griechenland weiter unter den jeweils sehr schwachen wirtschaftlichen Gegebenheiten leiden. Aufgrund der Währungsunion müssen diese Länder zudem ihre Wettbewerbsfähigkeit mit einer deflationären Politik zurückgewinnen. Das werde stagnierende oder gar fallende Löhne, Preise und Mieten nach sich ziehen.
Auch Union Investment-Experte Hermanns-Engel geht davon aus, dass die Länder in der südlichen Peripherie weiterhin stark krisenanfällig und mit großen Problemen belastet sein werden.

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