Die fünf Parlamentsparteien fixierten eine Grundsatzeinigung zu den U-Ausschussthemen. Kanzler Faymann beharrt auf seiner Unschuld. Die Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage.
Wien/Pri. Nach einer zweistündigen Gesprächsrunde war am Freitag gegen 19 Uhr eine Grundsatzeinigung perfekt: Vertreter der fünf Parlamentsparteien haben vereinbart, was Untersuchungsgegenstand im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Korruptionsaffären sein wird. Sechs Punkte stehen damit fest: Telekom, Verkauf der Bundeswohnungen (Buwog), Blaulicht-Funk, Lockerung des Glücksspielmonopols, Staatsbürgerschaftsvergaben sowie Inseratenvergabe durch die Ministerien in den Jahren ab 2000 und im staatsnahen Bereich ab 2006.
Beschlossen wird der Untersuchungsausschuss am 19. oder 20. Oktober. Noch nicht fix entschieden ist die Frage des Vorsitzes. Als wahrscheinlich gilt aber, dass die grüne Verkehrssprecherin Gabriela Moser die Untersuchung leiten wird. Die FPÖ reklamiert die Position für ihren Abgeordneten Peter Fichtenbauer. Fix ist jedenfalls, dem Parlament steht ein arbeitsintensiver Winter bevor.
Als wäre nichts geschehen in den vergangenen Wochen, als würde er nicht im Verdacht stehen, in seiner Zeit als Infrastrukturminister die Inseratenvergabe bei ÖBB und Asfinag zu seinen Gunsten beeinflusst zu haben, hatte zuvor Bundeskanzler Werner Faymann scheinbar in sich ruhend das Geschehen in der Nationalrats-Sondersitzung verfolgt. Die teils theatralisch geführte Debatte über den Euro-Rettungsschirm, die Dringliche FPÖ-Anfrage zu den Vorwürfen gegen ihn: Faymann schien nicht nur der erhöhten Regierungsbank wegen über den Dingen zu sitzen.
SPÖ „konnte nicht mehr anders“
Doch die demonstrative Gelassenheit des Kanzlers täuschte über die Hektik der vergangenen Tage hinweg. Dem Vernehmen nach soll Faymann bis zuletzt versucht haben, eine parlamentarische Untersuchung seiner Inseratenpolitik zu verhindern, obwohl ihm sein Klubobmann Josef Cap schon vor einigen Wochen prophezeit hatte, dass dem Druck der anderen Parteien nicht standzuhalten sein werde.
Dem war schließlich auch so. Am Donnerstag lenkte Cap, der auf Geheiß seines Chefs bis dahin alles versucht hatte, ein und stimmte dem Antrag der Opposition zu: Der Untersuchungsausschuss wird sich auch mit den Werbemethoden der Ministerien befassen.
„Wir konnten nicht mehr anders“, gestand am Freitag ein SPÖ-Mandatar der „Presse“. „Hätten wir uns noch weiter gegen die Inseratengeschichte gewehrt, wäre vermutlich gar kein Untersuchungsausschuss zustande kommen – und wir wären als Blockierer dagestanden.“ Eines nämlich wollte sich die SPÖ nicht nachsagen lassen: Dass sie auch die Telekom-Affäre unter den Tisch fallen lässt, um den eigenen Parteichef zu schützen.
Verwundert zeigten sich einige Genossen über Staatssekretär Josef Ostermayer, der als Faymanns Kabinettschef im Infrastrukturministerium die PR-Politik maßgeblich mitbestimmt haben soll. „So ungeschickt macht man das nicht“, lautete der Tenor im SPÖ-Klub. Denn einer Aussage des früheren ÖBB-Chefs Martin Huber zufolge, habe ihm Ostermayer 2008 klargemacht, dass sieben Millionen aus dem Werbeetat der Bundesbahnen „für den Werner“ zu reservieren seien.
Einen kleinen Vorgeschmack auf den U-Ausschuss bekamen Faymann und Ostermayer, der im Nationalrat neben ihm Platz genommen hatte, dann am frühen Nachmittag. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geißelte den „skrupellosen Missbrauch von Steuergeld in Millionenhöhe“ und sprach Faymann sein Misstrauen aus: „Als Kanzler sind Sie nicht mehr tragbar.“
Faymann blieb unbeeindruckt. Im Schnelldurchlauf beantwortete er den FPÖ-Fragenkatalog und beharrte auf seiner Unschuld: Die Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage, das Aktienrecht sei penibel eingehalten worden. Es sei „Normalität“, dass zwischen politisch Verantwortlichen und Staatsbetrieben Gespräche geführt würden. Weisungsrecht habe der Minister keines, daher habe damals niemand davon Gebrauch gemacht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2011)