An der prekären Lage in den Hörsälen hat sich wenig geändert, die große Zahl der Studienanfänger droht die Universitäten ins Chaos zu stürzen. Die Rektoren aktivieren ihre Notfallpläne.
Wien. Die Erinnerungen an die Audimax-Besetzung sind noch frisch. Es waren die schlechten Studienbedingungen, die ziemlich genau vor zwei Jahren eine Protestbewegung auslösten, die österreichweit Hörsäle besetzte sowie (in ihren besten Zeiten) zehntausende Studierende auf die Straße brachte – und den Uni-Betrieb lähmte.
So mancher Rektor fürchtet vor dem heutigen Uni-Start die Rückkehr des Chaos an den Hochschulen: An der prekären Lage in den Hörsälen hat sich seit damals wenig geändert, finanzielle Erleichterung soll es frühestens 2013 geben. Falls sich die Konjunktur bis dahin überhaupt erholt. Die Unis kämpfen im anlaufenden Semester mit der Unsicherheit: Die Voranmeldezahlen sind exorbitant hoch – und zugleich nicht aussagekräftig. Genaue Zahlen gibt es bis heute nicht. Bei ihrer Planung können die Rektoren bestenfalls mit Schätzwerten arbeiten – und müssen zu echten Notmaßnahmen greifen.
Die Uni Salzburg ächzt besonders unter dem Ansturm aus dem nahen Deutschland. Die Zahl der Studienanfänger ist schon jetzt auf dem Höchststand. Bereits Mitte September wurde der bisherige Studentenrekord geknackt – dabei können sich Studierende noch bis Ende November einschreiben. Die Prognose ist alarmierend: Die Uni rechnet damit, dass die Zahl der Studierenden insgesamt auf bis zu 20.000 steigt – das sind rund 3000 mehr als im Vorjahr. Auch an der ebenfalls grenznahen Uni Innsbruck ist die Zahl der Studienanfänger höher als je zuvor. Die Zahl der deutschen Studierenden trägt auch dort nicht unwesentlich zur Verschärfung der Situation bei.
Die Uni rechnet damit, dass sich heuer rund 4600 neue Studierende einschreiben – gut 500 mehr als im Vorjahr. Die Wiener Wirtschaftsuni (WU), die schon bisher völlig überlastet war, steht erneut vor einem enormen Andrang. Der wortgewaltige WU-Chef Christoph Badelt prozessiert wegen des Auseinanderklaffens von Budget und Studierendenzahlen bereits gegen die Republik – dem Vernehmen nach einer der Gründe, warum er nicht mehr als Rektorenchef kandidiert (siehe auch Bericht auf S. 2).
Heuer wird die Studentenzahl erneut steigen. Die größte Uni des Landes, die Uni Wien, rechnet gar damit, für mehr als 90.000 Studierende Platz bieten zu müssen – bei finanziellen Kapazitäten für gerade einmal 60.000 Hochschüler.
Lehre im Kino und via Video
Die Unis arbeiten schon seit Längerem an ihren Notfallplänen: Der WU etwa bleibt vorerst nichts anderes übrig, als den Ansturm – wie schon in den letzten Jahren – mittels Technik in einigermaßen erträgliche Bahnen zu lenken: Nicht umsonst ist die WU Vorreiter in Sachen E-Learning. Eine Garantie auf dauerhaften, direkten Kontakt mit dem Professor kann die Uni in der Einführungsphase schon kaum mehr geben: Viele Studierende müssen zumindest teilweise mit einer Videoübertragung im Hörsaal nebenan vorliebnehmen. Der per Video „duplizierte“ Professor wird auch an anderen Unis eingesetzt, etwa in Graz, in Innsbruck oder in Salzburg – heuer voraussichtlich noch öfter als bisher.

Unis, denen die Räume für Massenveranstaltungen fehlen, müssen externe Räumlichkeiten mieten. Die Uni Graz etwa hat Kinosäle in der Hinterhand, auch die Uni Innsbruck hat Ausweichräumlichkeiten in petto. Für Lehrveranstaltungen wirklich geeignet sind diese – Kinos, Festsäle, Messehallen – freilich nicht. Außerdem reißt die Miete neue Löcher in die knappen Uni-Budgets. Ob die Räume benötigt werden, wissen die Unis bis heute nicht. Ein planerischer Albtraum, meinen viele. Margret Friedrich, Vizerektorin für Lehre an der Uni Innsbruck, erhöht deshalb im Gespräch mit der „Presse“ den Druck, die Zulassungsfristen rasch vorzuverlegen: „Sonst werden wir immer Notlösungen zimmern müssen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2011)