Reformpläne für das Steuersystem. Monatelang stand eine Reichensteuer im Zentrum der Debatte: Seniorenvertreter und Gewerkschafter drängen nun darauf, die Bezieher geringerer Einkommen steuerlich zu entlasten.
Wien. Mehr als 2,5Millionen Menschen zahlen zwar inzwischen in Österreich keine Steuern mehr. Wer jedoch mehr als rund 1200 Euro brutto im Monat verdient und steuerpflichtig ist, wird mit dem niedrigsten Steuersatz von derzeit immerhin 36,5Prozent belangt.
Innerhalb der rot-schwarzen Regierungsparteien wächst die Unzufriedenheit mit dem Umstand, dass damit die Steuerbelastung schlagartig zum Tragen kommt. Mit der Steuerreform im Jahr 2009 wurde die Steuerfreigrenze auf die Bemessungsgrundlage von 11.000 Euro im Jahr (Bruttobeträge minus Sozialversicherungsbeiträge und Steuererleichterungen) erhöht. Darüber gilt der Steuertarif von 36,5 Prozent, dann von 43,2 und von 50 Prozent.
Der Seniorenrat, die offizielle Vertretung der Pensionisten, in dem der SPÖ-Pensionistenverband und der ÖVP-Seniorenbund abwechselnd den Vorsitz führen, tritt schon längere Zeit für die Einführung eines vierten Tarifs in Höhe von 20Prozent als niedrigstem Steuersatz ein, um das Wirksamwerden der Belastung zu verlagern und abzufedern. Das Ganze soll im Zuge eines großen Steuerreformpakets umgesetzt werden.
Entlastung schon 2012 gefordert
Der SPÖ-Pensionistenverband mit seinem Präsidenten Karl Blecha hat eine Neuregelung sogar schon ab 2012 gefordert. Dieser Termin ist allerdings mittlerweile wegen der notwendigen Vorarbeiten und des Fristenlaufs nicht mehr zu halten. Allerdings gibt es auch SPÖ-intern Rufe, die Erwerbstätige, die 36,5 Prozent Steuer zahlen, entlasten wollen. In der SPÖ-dominierten Gewerkschaft wird dieser Wunsch speziell von der Gewerkschaft der Privatangestellten vorgebracht.
Damit formiert sich in der Debatte um die nächste Steuerreform, die von SPÖ wie ÖVP 2013 angepeilt wird, eine zusätzliche Stoßrichtung. Denn die Kanzlerpartei SPÖ und die roten Gewerkschafter haben sich bei ihren Vorschlägen in den vergangenen Monaten auf die Einführung einer Vermögenssteuer (Stichwort: „Millionärssteuer“) konzentriert, weil Österreich bei dieser im internationalen Vergleich nachhinke. Für die SPÖ bleibt dies trotz des Widerstandes der ÖVP ein Fixpunkt im Zuge einer kommenden Steuerreform.
Steuern ab 1070 Euro brutto
Der Seniorenrat macht sich bereits länger dafür stark, mit einem neuen Steuersatz von 20 statt 36,5Prozent für niedrige Einkommensbezieher zu beginnen. Für Pensionisten kommt der derzeit geltende unterste Tarif bereits ab einer Pension von 1070 Euro brutto zur Anwendung. Neben diesem Vorschlag für ein großes Steuerpaket soll es darüber hinaus für jene, für die derzeit höhere Steuertarife gelten, eine Entlastung durch eine Anpassung der jeweiligen Einkommensgrenzen geben, um auf diese Weise die jährliche Teuerung („kalte Progression“) abzufangen.
Die SPÖ-Spitze um Kanzler Werner Faymann hat schon deutlich gemacht, dass sie mit Einnahmen aus der angestrebten Vermögenssteuer auch eine steuerliche Entlastung des Mittelstandes – nämlich für Bezieher von Einkommen zwischen 2000 und 4000Euro brutto – gegenfinanzieren möchte.
Die Gewerkschaft der Privatangestellten und Drucker (GPA-DJP) ist seit Längerem eine der treibende Kräfte in der Debatte um eine Vermögenssteuer und tritt auch für die Wiedereinführung einer reformierten Erbschaftssteuer (beides mit Freigrenzen) ein. Darüber hinaus spricht sich GPA-Bundesgeschäftsführerin Dwora Stein aber auch für Steuererleichterungen für jene, die vom niedrigsten Steuertarif betroffen sind, aus. Offen ist bislang, in welcher Form.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2011)