Dänemark: Neue Linksregierung radelt zur Königin

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Helle Thorning-Schmidt setzt mit ihrem Kabinett neue Akzente: Die neue links-liberale Regierung in Dänemark lockert die Zuwanderungsregeln, schafft Grenzkontrollen ab und setzt sich ambitionierte Umweltziele.

Kopenhagen. Kehrtwende in Dänemark: Die 44-jährigen Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt setzt mit ihrem Mitte-links-Kabinett neue Akzente. Das betrifft vor allem die Ausländerpolitik, die dessen bürgerliche Vorgängerregierung unter dem Druck der rechten Dänischen Volkspartei zehn Jahre lang sukzessive verschärft hat. Die Zuwanderungsregeln werden nun abgeschwächt, die Zollkontrollen an den Grenzen wieder abgeschafft, die Klimapolitik bekommt das Etikett „Europas ambitionierteste“.

„Auf Dänemark warten harte Zeiten, aber wir packen alle gemeinsam an“, sagte Thorning-Schmidt, die erste Frau an der Spitze einer dänischen Regierung, als sie am Montag auf Schloss Amalienborg nach einer Audienz bei Königin Margrethe ihr Kabinett vorstellte. Es ist eine Minderheitskoalition aus Sozialdemokraten, Sozialliberalen und Sozialistischer Volkspartei, die von der linken Einheitsliste abgesichert wird.

Pensionsreform wird nicht angetastet

In zweiwöchigen Verhandlungen drückten die Sozialliberalen dem Regierungsprogramm vor allem in der Wirtschaftspolitik ihren Stempel auf. Die Pensionsreform, die Sozialdemokraten und Sozialisten im Wahlkampf angeprangert haben, wird unverändert so durchgeführt, wie dies die bisherige Regierung und die Sozialliberalen vor den Wahlen vereinbart haben. Das war die Bedingung der Sozialliberalen, um sich hinter Thorning-Schmidt zu stellen und damit den Machtwechsel zu ermöglichen.

Auch in der Steuerpolitik gibt es Differenzen. Eine Kommission soll nun eine Reform ausarbeiten, die sowohl die Steuern auf Arbeitseinkommen senkt als auch sozial ausgewogen ist. Die sozialliberale Vorsitzende, Margrethe Vestager, wird Wirtschafts- und Innenministerin, der sozialistische Parteichef Villy Søvndal übernimmt das Außenamt. Finanzminister wird der sozialdemokratische Stratege Bjarne Corydon, der erst vor 14 Tagen erstmals ins Parlament gewählt wurde. Nur zwei aus der 23-köpfigen Ministerriege haben Regierungserfahrung. Der sozialistische Steuerminister Thor Möger Pedersen ist mit 26 Jahren der jüngste Minister in der Geschichte des Landes, auch Gesundheitsministerin Astrid Krag ist noch keine 30 und zudem schwanger. Der in Indien geborene Sozialliberale Manu Sareen schaffte als erster Zuwanderer den Sprung in die Regierung und ist nun Minister für Kirche und Gleichberechtigung.

In der Ausländerpolitik, die im letzten Jahrzehnt von ständigen Verschärfungen geprägt war, kommt es zu der Liberalisierung, die vor allem von den Sozialliberalen und der Einheitsliste gefordert wurden. Beide Parteien sind dafür bei den Wahlen mit Stimmenzuwachs belohnt worden. Grundpfeiler der bisherigen Politik, dass Zuwanderer die Sprache lernen und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen, wenn sie soziale Leistungen beanspruchen wollen, bleiben bestehen. Auch die Regel, dass Paare 24 Jahre alt sein und eine enge Beziehung zu Dänemark haben müssen, ehe ihnen der Aufenthalt erlaubt wird, bleibt aufrecht. Doch die Vielfalt von Bestimmungen über Integrationsprüfungen, Gebühren und reduzierte Sozialleistungen wird ausgesiebt.

40 Prozent weniger CO2 bis 2020

An den dänischen Grenzen kehrt wieder der Normalzustand ein: Polizei und Zoll bekommen mehr Mittel für die Fahndung im Hinterland, doch permanente Kontrollstellen wird es nicht geben. In der Klimapolitik setzt sich die neue Regierung die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 40 Prozent bis 2020 zum Ziel. Bis 2050 soll alle in Dänemark verwendete Energie aus erneuerbaren Quellen kommen. Um ein gutes Beispiel zu geben, kamen fünf der sechs sozialliberalen Minister auf dem Fahrrad zur Antrittsaudienz auf Amalienborg, der Sechste fuhr in einem winzigen Elektroauto vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2011)

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