Dialogzentrum der Saudis in Wien löst hitzige Debatte aus

Dialogzentrum der Saudis in Wien löst hitzige Debatte aus
Dialogzentrum der Saudis in Wien löst hitzige Debatte aus(c) EPA (Str)
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Saudiarabien, notorisch intolerant, stiftet in Wien am 13.Oktober eine internationale Organisation für religiösen Dialog. Grüne und „liberale Muslime“ gehen auf die Barrikaden.

Auf der ganzen Welt gibt es kaum ein anderes Land, das weniger Religionsfreiheit zulässt als Saudiarabien. Christen werden verfolgt, Gottesdienste können sie nur heimlich in Privathäusern feiern. Wer im Geburtsland des Propheten vom Islam abfällt, dem droht die Todesstrafe.

Dennoch stiftet nun ausgerechnet König Abdullah bin Abdulaziz al-Saud ein nach ihm benanntes „Internationales Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“. Und zwar in Wien. Am 13.Oktober sollen Saudiarabiens Außenminister, Prinz Saud al-Faisal, dessen spanische Amtskollegin Trinidad Jimenez und Gastgeber Michael Spindelegger im Marmorsaal der Albertina feierlich den Gründungsvertrag unterzeichnen. Das Forum ist als internationale Organisation angelegt, die allen UNO-Mitgliedern offensteht.

Noch heuer soll sie ihr Quartier im Palais Sturany am Schottenring 21 aufschlagen, in der ehemaligen Bibliothek der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien. Das Gebäude befindet sich bereits seit ein paar Monaten im Besitz der königlichen saudiarabischen Stiftung. Der 87-jährige Herrscher lässt sich das Projekt einiges kosten. Von einem hohen zweistelligen Millionenbetrag ist die Rede. Auch für den Betrieb des Zentrums kommen zunächst die Saudis auf. Das Sekretariat wird 30 bis 35 Mitarbeiter zählen. Wie es sich genau zusammensetzt und wer es leitet, ist noch unklar.

Fixiert ist hingegen bereits ein „Board of Directors“. Diesem Aufsichtsrat werden Vertreter aller großen Religionen angehören, insgesamt acht Personen. Der Vatikan entsendet seinen Islam-Spezialisten, Monsignore Khaled Akasheh, die anglikanische Kirche schickt Reverend Toby Howarth, das Judentum Rabbi David Rosen (American Jewish Committee), auch ein Hindu und ein Buddhist sind an Bord ebenso wie ein griechisch-orthodoxer Metropolit. Für den Islam sprechen ein saudiarabischer Imam und der libanesische Generalsekretär des „Spirituellen islamischen Gipfels“.

Doch die Initiative ist in der islamischen Welt umstritten. Ahmed el-Tayeb, der Großscheich der Kairoer al-Azhar-Universität, warnte Spindelegger bei dessen Besuch in Ägypten im April davor, den Saudis eine Plattform zu bieten. Es sei ja bekannt, welches Gedankengut die Wahhabiten weltweit verbreitet hätten. Österreichs Außenminister konterte schon damals, dass das Zentrum in Wien kein wahhabitisches sei, sondern dem Dialog der Religionen dienen solle.

Der Wahhabismus ist eine radikale Spielart des Islam. Die Macht der Saudis beruht letztlich auf einem Pakt mit dem Fundamentalisten Muhammad ibn Abd al-Wahhab aus dem Jahr 1744. Reformer rund um den jetzigen Monarchen bemühen sich angeblich darum, die Konservativen zurückzudrängen. Und dazu könnte auch das neue Zentrum in Wien dienen. Kritiker meinen jedoch, dass die Saudis in Wien einfach ihr Image aufpolieren und sich toleranter geben wollen, als sie sind.

„Höchstgradig absurd“

Als „höchstgradig absurd“ bezeichnet etwa Alev Korun, Integrationssprecherin der Grünen, den Plan. „Entweder Spindelegger ist unglaublich naiv, oder er schielt nur auf eventuelle Wirtschaftskontakte mit Saudiarabien und drückt deswegen beide Augen fest zu.“ Die Initiative Liberaler Muslime Österreichs (ILMÖ) fürchtet, dass durch das Zentrum die „Integration der Muslime durch eine fundamentalistisch-konservative Islam-Auslegung verhindert“ wird.

Zustimmung kommt hingegen aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft. „Was soll schlecht daran sein, wenn Völker in Dialog treten?“, fragt Präsident Fuat Sanac. Dies könnte auch helfen, die Stellung der Christen in Saudiarabien zu verbessern.

Entstanden ist die Idee für das Dialogzentrum 2007 nach einem Treffen zwischen König Abdullah und Papst Benedikt XVI. Der Vatikan hat Interesse an einer Öffnung Saudiarabiens. Ziel des Heiligen Vaters sei es, dass in Jeddah eine Kirche ihre Pforten öffnet, meint ein Insider. Doch davon ist man weit entfernt. Monatelang rang der Heilige Stuhl deshalb darum, dem Dialogzentrum nicht den Status einer internationalen Organisation zu verleihen. Vergeblich.

Beworben als Sitz hatten sich übrigens auch Madrid, Genf und London. König Abdullah entschied sich frühzeitig für Wien. Er wird seine Gründe haben.

Auf einen Blick

Am 13. Oktober werden die Außenminister Saudiarabiens, Österreichs und Spaniens feierlich den Gründungsvertrag für das „König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ in Wien unterzeichnen. Die neue internationale Organisation steht allen UN-Mitgliedern offen. Im „Aufsichtsrat“ sind alle großen Religionen vertreten. Der Vatikan entsendet seinen Islam-Spezialisten, Monsignore Khaled Akasheh.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2011)

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