Ein „Dialog“ mit Führern eines radikalen Monologs

(c) APA/Hans Klaus Techt
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Im eigenen Land lassen die saudischen Herrscher nicht über Religionsfreiheit und Demokratie mit sich reden. Und just sie sollen Partner im „interreligiösen Dialog“ sein.

Die Idee wirkt wundervoll – zumindest auf den ersten Blick: Ein neues Zentrum in Wien soll den „interreligiösen Dialog“ anregen. Kein unwichtiges Vorhaben, angesichts all der wechselseitigen Feindbilder, die in den vergangenen Jahren vor allem zwischen der sogenannten „islamischen“ und der „christlich-westlichen“ Welt aufgebaut wurden.

Auf den zweiten Blick erscheint das Projekt aber bestenfalls skurril. Denn Initiator ist just das Königreich Saudiarabien. Und die Herrschenden im Golfstaat haben in den vergangenen Jahrzehnten nur zur Genüge bewiesen, dass sie eher auf „Monolog“ setzen: dahingehend, wie der Islam interpretiert und gelebt wird, dahingehend, wie politische Macht ausgeübt wird. Wer in Saudiarabien einen Dialog über eine Demokratisierung des Staates und der Gesellschaft führen will, oder über religiöse und moralische Fragen, wird sich nicht auf dem Podium einer Diskussionsrunde wiederfinden, sondern relativ rasch auf der Anklagebank eines Gerichtssaals.

Die Werte Religionsfreiheit oder Trennung von Staat und Religion haben in Saudiarabien keinen Platz. Als einzige Auslegung des Islam wird die des radikalen Wahhabismus akzeptiert. Ein Blick in das Strafgesetzbuch wirkt wie eine Fahrt in der Geisterbahn, angesichts all der staatlich sanktionierten schweren Übergriffe gegen die körperliche Unversehrtheit von Verurteilten. Und Saudiarabiens bisheriger Beitrag zur Demokratiebewegung in der arabischen Welt war der Einmarsch saudischer Truppen in Bahrain – um die Proteste in dem Nachbarland gemeinsam mit Bahrains Regime niederzuschlagen.

Es galt schon fast als politische Sensation, als vor wenigen Tagen zum zweiten Mal in der Geschichte Saudiarabiens eine Wahl abgehalten wurde. Freilich durfte die Bevölkerung nur über ihre Vertreter auf kommunaler Ebene abstimmen, denn die unumschränkte Macht des Königshauses ist sakrosankt. Frauen waren vom Urnengang ohnehin gleich ausgeschlossen, erst 2015 sollen sie sich erstmals an einer Wahl beteiligen dürfen. Das hat ihnen nun König Abdullah zugestanden. Und gleichsam in einem Anfall grenzenlosen Großmuts hat der Monarch nun auch eine Frau begnadigt, die zu zehn Peitschenhieben verurteilt worden war. Ihr „Verbrechen“: Sie hat ein Auto gelenkt, und das ist Frauen in Saudiarabien verboten.

Abdullah angesichts dieser zaghaften Schritte als Reformer darzustellen wäre vermessen. Mag sein, dass der König im eigenen Land unter dem Druck radikaler und konservativer Kreise steht. Er ist aber eine zentrale Größe im autokratischen Herrschaftssystem. Dass der „Dialog“, der in dem von Abdullah initiierten Zentrum in Wien geführt werden soll, auch bis in das Königreich am Golf ausstrahlt, darf bezweifelt werden. Und wie ernst es den saudischen Machthabern mit dem Dialog ist, muss abgewartet werden. In den vergangenen Jahren hat man von Saudiarabien über diverse Organisationen vor allem versucht, Wahhabismus zu exportieren – bis nach Südosteuropa –, und diverse radikale Gruppen unterstützt. Die USA und die Europäer drückten dabei meist alle Augen zu, denn das saudische Königshaus ist ein wichtiger Verbündeter.

Österreichs Regierung scheint jedoch auf einen Erfolg des „Dialogzentrums“ zu hoffen – immerhin unterstützt sie ja das Projekt. Erstaunlich ist freilich schon, dass die österreichische Politik bei ihrem „Dialog mit dem Islam“ ausgerechnet auf einen Pakt mit wirklich radikalen Kräften setzt – und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem Migranten mit muslimischem Background in der öffentlichen Diskussion zu Unrecht Gefahr laufen, pauschal als Extremisten verunglimpft zu werden.

Aber vielleicht könnte man das „Dialogzentrum“ ja zum Ausgangspunkt für eine viel umfangreichere Diskussion mit dem saudischen Herrscherhaus machen. Eine Diskussion, in der alle bekräftigen, dass Dialog den Respekt vor unterschiedlichen Kulturen und Weltbildern bedeutet – seien sie muslimisch, christlich, agnostisch oder wie auch immer geprägt. Und dass die Grenze der Toleranz dort erreicht ist, wo Menschenrechte verletzt werden. Denn die können in keinem Dialog der Welt wegdiskutiert werden. BERICHT, S. 1

E-Mails an: wieland.schneider@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2011)

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