Sorger: „Der Staat hat zwei Jahre nichts getan“

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Der Präsident der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, kritisiert mit ungewöhnlich scharfen Worte die Untätigkeit der Regierung. Österreich solle sich ein Beispiel an dem Vorbild Schweden nehmen.

Wien/Eid. Veit Sorger trauert angesichts des drohenden Abschwungs den verpassten Gelegenheiten nach, den Staatshaushalt rechtzeitig in Ordnung zu bringen: „Anders als die Industrie hat die Regierung die beiden letzten Hochkonjunkturjahre nichts getan, um ihre Hausaufgaben zu machen und das Budget zu sanieren“, fand der Präsident der Industriellenvereinigung (IV) am Dienstag ungewöhnlich scharfe Worte für die rot-schwarze Koalition.

Während die Unternehmen Programme zur Restrukturierung und für Kosteneinsparungen gefahren hätten und somit für drei Viertel des Aufschwungs verantwortlich seien, müsse man sich beim Staat fragen: „Wo war die Leistung?“, nahm Sorger Anleihen beim Lobbyisten Walter Meischberger. Dieser hatte in einem von der Staatsanwaltschaft Wien abgehörten Telefonat über seine Leistung für eine von ihm kassierte Provision räsoniert.

Schweden als Vorbild

Das geringe Wirtschaftswachstum reduziere die gerade jetzt notwendigen Steuereinnahmen, wodurch sich die Schuldenquote um 0,3Prozent und bis 2014/15 um jeweils 0,8Prozent erhöhen werde. „Wir sind dann bei einer Staatsverschuldung nahe 80Prozent, das ist ein Alarmsignal“, sagte Sorger im Klub der Wirtschaftspublizisten.

Das positive Vorbild sei Schweden: Das Land habe sich zu einer Schuldenbremse verpflichtet und in den letzten fünf Jahren die Verschuldung von 70 auf 40Prozent reduziert – ohne dass es zu sozialen Unruhen gekommen wäre. Bis 2015 peilt Schweden an, die Verschuldung noch einmal auf unter 20Prozent zu drücken. „Wir hatten die bessere Ausgangssituation und stehen nun viel schlechter da.“ Für eine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse sprechen sich in einer neuen Umfrage des Managementclubs 77Prozent der Führungskräfte aus.

Der Abschwung werde für die Regierung der Lackmustest, sagte Sorger. „Es gibt nichts mehr zu verteilen, wir haben unser Pulver in der letzten Krise verschossen.“ Deshalb spricht sich der IV-Präsident gegen neue Konjunkturpakete und gegen neue und/oder höhere Steuern aus. Bevor der Staat nicht seine eigenen Restrukturierungsleistungen erbracht habe, sei die IV nicht bereit, Steuerkonzepte mitzutragen. Das gelte für alle Steuern – auch den von Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) in der „Presse am Sonntag“ gemachten Vorschlag einer zeitlich begrenzten Reichensteuer. Die IV lehnt auch eine auf den Euroraum beschränkte Finanztransaktionssteuer ab. Zumindest müssten die G20-Staaten eingebunden werden, andernfalls würde das zu Nachteilen führen, ergänzte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Er bezeichnete die Idee neuer Steuern als „frivol“, als „fantasielose Geldbeschaffungsaktion“.

Gegen neue Konjunkturhilfen hat sich am Dienstag vor dem zweiten „Wirtschaftsrat“ auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ausgesprochen. „Wir schaffen auch eine neue Krise ohne zusätzliche neue Staatshilfe“, betonte Sorger und verwies darauf, dass Branchen wie die Grundstoff-, die Baustoff- und die Papierindustrie massive Auftragsrückgänge verzeichneten. Einzig Kurzarbeit kann sich Sorger vorstellen. Auch Banken forderten seines Wissens nach nicht neues Staats-Partizipationskapital.

AMS-Geld für Stipendien

Sparpotenzial ortet der IV-Chef bei den „sinnlosen“ AMS-Schulungen. Angesichts der Prognose der Wirtschaftsforscher, dass sich die Arbeitslosigkeit selbst in der Flaute nur gering erhöhen dürfte, könnten 100Mio. Euro der für aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stehenden 1,1Mrd. Euro abgezogen werden. Statt hektisch AMS-Programme zu finden, um die Gelder zweckgebunden auszugeben, sollte Geld für einen Innovationsfonds, Stipendienunterstützung, Begabtenförderung oder 20.000 Kinderbetreuungsplätze gesteckt werden. Rationalisierungspotenzial sieht die Industrie auch bei der Hacklerregelung, im Pensionssystem, bei den Beiträgen von Mitversicherten oder dem begünstigten Mehrwertsteuersatz bei Vier- oder Fünfsternehotels. Das lehnte die Hoteliervereinigung umgehend ab.

Auf einen Blick

Die Industriellenvereinigung ist mit der Konsolidierungsarbeit der Regierung unzufrieden. Man habe die letzten zwei Jahre Hochkonjunktur nicht genutzt, um Sanierungsschritte zu setzen. Präsident Veit Sorger lehnt neue und höhere Steuern vehement ab. Genauso wie er sich gegen neue Konjunkturpakete ausspricht. Die Industrie habe ihre Hausaufgaben gemacht und schaffe eine neue Krise allein, sagte er am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2011)

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