Keiner will an „Schiebung“ beim Zivildienereinsatz schuld sein. Hohe AKH-Manager weisen alle Schuld zurück, die untere Ebene will nur Aufträge „von oben“ erfüllt haben.
Wien. Ankläger Roman Reich von der Korruptionsstaatsanwaltschaft bringt die Sache auf den Punkt: „Die ,Unteren‘ geben die Vorwürfe zu und werden rausgeschmissen, die anderen werden nur dienstversetzt.“ Und das, obwohl die „Unteren“ glaubwürdiger seien. Dies sei „eine sehr interessante Reaktion der Stadt Wien“.
Die Einteilung in „Obere“ und „Untere“ betrifft jene sechs AKH-Manager, die seit gestern, Mittwoch, wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht stehen. Prozessgegenstand: der vorgetäuschte Einsatz von drei Zivildienern im städtischen AKH. Mitangeklagt: der 52-jährige L., bis vor Kurzem noch Geschäftsführer der Firma AGO. Dabei handelt es sich um jene Firma, die vom AKH einen 50-Millionen-Euro-Auftrag (Reinigungsarbeiten) erhielt, obgleich ein weiterer Anbieter ein günstigeres Offert gelegt hatte. Dieser Komplex ist noch Gegenstand von Ermittlungen.
Alle sieben Beschuldigten bekannten sich nun vor Richterin Beatrix Hornich „nicht schuldig“. Der „Zivildiener-Schmäh“ funktionierte laut Anklage so: Drei Zivildiener, zwei davon Söhne von Geschäftsführern der Firma AGO, meldeten sich zum Dienstantritt auf einer Pflegestation im AKH – und räumten danach gleich wieder das Feld. In Wahrheit verrichteten sie weiterhin (geringfügige) Tätigkeiten für die AGO.
Zur Rechtfertigung dieser Vorgangsweise – neun Monate später kamen die „falschen“ Zivildiener wieder und holten sich ihre Praxisausweise von der Pflegeabteilung ab – kursierte folgende Version: Die Burschen würden innerhalb der AGO für das AKH arbeiten, indem sie etwa ein EDV-Projekt betrieben, das dem Krankenhaus zugutekomme.
Einer der angeklagten Oberpfleger: „Mir wurde das so übergeben, ich dachte, die erbringen in der AGO Dienste für das AKH.“ An dieser Stelle sei vermerkt: Der Oberpfleger und sein mitangeklagter Kollege, also die „Unteren“, sind suspendiert, nicht „rausgeschmissen“. Die „Oberen“ sind tatsächlich dienstversetzt. Der AKH-Personalchef ist in einer Verwaltungsabteilung gelandet, der Pflegedirektor wanderte ins Otto-Wagner-Spital, eine Pflegemanagerin ins Kaiser-Franz-Josef-Spital. Und die mitangeklagte frühere Pflegedirektorin (Dienstende Dezember 2007) ist derzeit, wie sie sagt, „arbeitssuchend“.
Personalchef als „Aufdecker“
Ihr Anwalt Norman Hofstätter weist darauf hin, dass sich der erste „falsche“ Zivildiener erst am 1. März 2008 im AKH vorstellte. Seine Mandantin habe nur an einer Vorbesprechung teilgenommen, ohne zu wissen, „was danach passiert“. Auch habe er rechtliche Bedenken: „Die Krankenpfleger haben gar keine Amtsgeschäfte vorgenommen“, so könne seine Mandantin auch keinen Beitrag zum Amtsmissbrauch geleistet haben.
Die Pflegemanagerin belastet indessen den Personalchef. Sie sei von diesem in Sachen Zivildienern instruiert worden. Die AGO habe als „Dankeschön“ eine Ersatzkraft zur Verfügung gestellt. Der Personalchef wehrt sich; er sei Aufdecker, habe sogar intern „ermittelt“. Der derzeitige Pflegedirektor wiederum habe laut Anklage „alles gewusst“, nichts dagegen unternommen. Er selbst bestreitet dies. Fortsetzung: Donnerstag.
Auf einen Blick
Amtsmissbrauch bzw. Beteiligung am Amtsmissbrauch wirft die Korruptionsstaatsanwaltschaft sechs teils suspendierten, teils dienstversetzten AKH-Mitarbeitern vor. Außerdem ist der ehemalige Geschäftsführer des Personaldienstleisters AGO angeklagt. Es geht um die AKH-Zivildiener-Affäre. Den Vorsitz des Schöffensenates führt Richterin Beatrix Hornich (siehe Bild). Die Stadt Wien sieht sich in einer Opferrolle und erntete dafür Kritik vom Staatsanwalt. Ein Rechtsvertreter der Stadt begehrt als „Privatbeteiligtenvertreter“ Schadenersatz von den Angeklagten in Höhe von 22.086,87 Euro. Auch deshalb, weil „Tausende von anständigen AKH-Mitarbeitern in Verruf geraten“ seien. Die Verhandlung wird heute, Donnerstag, fortgesetzt. [APA]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2011)