Trichet: Zum Abschied neue Geldspritzen

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Die EZB lässt den Leitzins unverändert bei 1,5 Prozent. Zum Ende seiner Amtszeit kündigt Präsident Jean-Claude Trichet aber zwei Liquiditätsprogramme für den Bankensektor an.

Wien. Nach acht Jahren im Amt als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) ist Jean-Claude Trichet am gestrigen Donnerstag zum letzten Mal einer Sitzung des EZB-Rats vorgesessen. Das Ergebnis: Der Leitzins bleibt unverändert bei 1,5 Prozent. Trichet begründete die Entscheidung mit der erhöhten Inflation im Euroraum – im Dezember lag sie bei drei Prozent. Es ist die einzige offizielle Aufgabe der EZB, Preisstabilität zu gewährleisten. Nach der Definition der Zentralbank ist dieser Auftrag erfüllt, wenn die Inflationsrate knapp unter zwei Prozent liegt. Trichet sagte, dass die Inflation wohl noch einige Monate lang hoch bleiben würde und sich dann abschwächen dürfte.

EZB will Banken helfen

Dem Finanzsektor will die EZB in der Zwischenzeit verstärkt unter die Arme greifen. Es kommt zur Neuauflage des sogenannten Zwölf-Monats-Tenders, mit dem sich Banken für ein Jahr mit Zentralbankgeld versorgen können. Es ist die vierte derartige Operation der EZB seit dem Ausbruch der Finanzkrise. Beim ersten dieser Mega-Tender hatten die Geldinstitute Mitte 2009 die gewaltige Summe von 442 Milliarden Euro abgerufen. Die angespannte Lage auf dem europäischen Bankensektor macht diese Maßnahme erneut notwendig. Dank der negativen Meldungen misstrauen die Banken sich zunehmend gegenseitig und leihen kein Geld mehr. Da bleibt nur noch die Zentralbank, die EZB. Trichet dazu: „Wir werden sicherstellen, dass die Banken im Euroraum in ihrer Liquidität nicht eingeschränkt sind.“ Die zweite Geldspritze kommt in Form eines Ankaufprogramms von Pfandbriefen und anderen gedeckten Anleihen (Covered bonds) in der Höhe von 40 Milliarden Euro. Zwischen Juni 2009 und Juni 2010 kaufte die EZB bereits solche Papiere im Volumen von 60 Milliarden Euro. Diese zwei Programme gehören laut Trichet zu den Nicht-Standard-Maßnahmen einer Zentralbank.

Die EZB versucht damit ein bisschen die Quadratur des Kreises: Als erste wichtige Zentralbank hat sie die Zinsen wieder leicht angehoben und auch nicht wieder gesenkt. Das soll Inflationserwartungen dämpfen. Solange die Zinsen aber unter der Inflationsrate liegen, sind sie real negativ. Frisches Geld zur Bankenhilfe in den Markt zu Pumpen könnte die Inflation zusätzlich anheizen.

Bank of England druckt Geld

In London hat die Zentralbank indes angekündigt, die Quantitativen Lockerungen (QE) auszubauen und das Gelddruckprogramm um 75 Milliarden Pfund (87,8 Milliarden Euro) auf insgesamt 275 Milliarden Pfund auszuweiten. Mit diesem frisch gedruckten Geld kauft die BoE hauptsächlich Staatsanleihen. Anders als die EZB schreckt die Englische Zentralbank nicht vor der direkten Monetisierung von Staatsschulden zurück, obwohl die Inflationsrate in Großbritannien bereits deutlich über jener im Euroraum liegt.

Die Märkte reagierten verhalten bis negativ auf die Ankündigungen der Europäischen Zentralbank. Das Pfund fiel auf ein 14-Monats-Tief gegenüber dem Dollar, der DAX brach nach der Zins-Nichtentscheidung der EZB binnen Sekunden um 100 Punkte ein. Auch dem Euro half Trichets letzte Entscheidung kaum. Ab November übernimmt der Italiener Mario Draghi das EZB-Präsidenten-Amt. Der Goldman-Sachs-Alumnus gilt wie Trichet als „Falke“, der vor allem auf Preisstabilität achtet. Baldige Zinssenkungen sind also nicht garantiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2011)

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