Schönheits-OPs: Männer unterm Messer

SchoenheitsOPs Maenner unterm Messer
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In den letzten Jahren ist der Anteil der Männer, die sich "fremdschönen" lassen, deutlich angestiegen: Bis zu 15 Prozent lassen sich operieren oder Botox spritzen. Penisverlängerungen sind allerdings selten.

Der junge Mann, nennen wir ihn Tim (seinen richtigen Namen will er nicht unbedingt in der Zeitung lesen), trainiert regelmäßig im Fitnessstudio und achtet auf seine Ernährung. So sieht er auch aus: fit und trimm. Das Einzige, was Tim an seiner ansonst fast makellosen Figur wirklich unerhört stört, sind zwei kleine Fettpölsterchen, die sich dort wölben, wo nahtlos eigentlich seine Hüfthosen sitzen sollten. Er denkt lange nach und entschließt sich schließlich zu einem Schritt, den auch in Österreich immer mehr Männer wagen: den Schritt zum Schnitt. Tim lässt sein Problem vom Schönheitschirurgen lösen. Dieser saugt ihm die auch als „love handles“ (Liebesgriffe) bekannten Problemzonen kurzerhand ab. Tims Fazit fällt eindeutig aus: „Extrem glücklich“, sei er. „Wirklich sehr zufrieden.“

Tim ist gleich in doppelter Hinsicht ein potenzieller Kandidat für Schlagzeilen: Denn zum einen sind Schönheitsoperationen durch die Veröffentlichung eines neuen Buchs im deutschsprachigen Raum gerade wieder einmal heftig in die Debatte geraten (siehe Interview mit dem Autor Hans Weiss).Zum anderen wird gleichzeitig hingebungsvoll darüber gerätselt, ob der Boom der Schönheit per Skalpell jetzt auch die Männerwelt fest im Griff hat.

Den letzten Anstoß dafür gaben Berichte der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie, dass 2011 „hard core“-Operationen wie Penisvergrößerungen und -verdickungen bereits auf den siebenten Platz bei schönheitschirurgischen Eingriffen unter Männern vorgerückt seien – noch vor der bis dato sehr gefragten Ohrenkorrektur. Für Österreich lässt sich allerdings kein vergleichbarer Trend bestätigen. Zwar legen sich auch hierzulande deutlich mehr Männer unters Messer als noch vor zehn Jahren, doch stoppt die Suche nach Perfektion offenbar rund um die Gürtellinie.

Wie die Lage genau ist, kann man allerdings nur raten. Denn verlässliche Zahlen sind in der Schönheitsmedizin Mangelware. Das liegt daran, dass die meisten chirurgischen Eingriffe privat oder – wie die sogenannten „sanften“ Botox-Behandlungen und Faltenunterspritzungen – in Facharztpraxen durchgeführt werden, wo es kein Rückmeldungssystem gibt. Der Autor Hans Weiss schätzt, dass in Österreich jedes Jahr 50.000 chirurgische und 50.000 „sanfte“ Eingriffe durchgeführt werden. Die Faustregel der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPARC) lautet, dass dabei auf neun Frauen ein Mann kommt.

In Zentren, die sich auf die Behandlung jener Herren spezialisiert haben, die mit dem Ergebnis der Schöpfung nicht ganz einverstanden sind, hört sich das allerdings etwas anders an. Thomas Aigner, plastischer Chirurg in Wien und Initiator einer eigenen Website für männliche Schönheits-OPs, schätzt den Anteil auf 20 Prozent. Johann Umschaden, ärztlicher Leiter der Schwarzl-Klinik in der Steiermark, bestätigt diesen Anstieg: „1998 betrug der Anteil der männlichen Patienten 2,5 Prozent, heute halten wir bei 15 Prozent.“

Weg mit dem Fett. Zu Umschaden kommen die meisten Patienten wegen einer Nasenoperation, gefolgt von Fettabsaugung, Augenlidkorrekturen und Eingriffen an der Brust. Letzteres gilt vor allem für Männer, die unter Gynäkomastie leiden, einer Vergrößerung der Brustdrüse. Dies sei sehr oft nicht nur aus ästhetischen Gründen angezeigt, meint Thomas Hintringer, Präsident der ÖGPARC, sondern auch aus medizinischen: „Schließlich gibt es ja auch beim Mann Brustkrebs.“ Thomas Aigner befreit seine Patienten vor allem von überschüssigen Fettpölsterchen an Brust, Bauch und Hüften. „Man kann allerdings nur das Fett absaugen, das oberhalb der Muskulatur liegt“, sagt er. „Einen Bierbauch kann man so nicht wegbekommen. Fettabsaugen ist eine Problemzonenbehandlung, kein Abnehmprogramm.“ Auch Operationen, bei denen überschüssige Haut nach großem Gewichtsverlust gestrafft wird, werden mehr.

Botox-Behandlungen und Faltenunterspritzungen bei Männern nehmen ebenfalls zu. „Das hat es vor ein paar Jahren definitiv nicht gegeben“, meint Aigner. Viele Männer nutzen Botox auch, um ihres Achselschweißes Herr zu werden. Acht Monate soll die Wirkung einer Behandlung anhalten – zwei Monate länger als im Gesicht.

Hängt ihn tiefer! Kaum eine Rolle spielen in Österreich – bisher zumindest – schlagzeilenträchtige Schönheitsoperationen wie Penisverlängerung oder -verdickung. Seriöse Schönheitschirurgen weisen darauf hin, dass solche Operationen keine erektilen Dysfunktionen beheben, sondern nur das Erscheinungsbild verändern. Alle von der „Presse am Sonntag“ befragten Ärzte würden einen solchen Eingriff entweder gar nicht (Aigner) oder nur dann vornehmen, wenn der Penis nach einer Krebsbehandlung verstümmelt und eine Rekonstruktion angezeigt wäre (Umschaden). Hintringer bezeichnet die Technik als „fachlich nicht unumstritten“. Bei einer operativen Penisverlängerung werden die Aufhängungsbänder durchtrennt und tiefer wieder angesetzt. Das Risiko, dass dabei etwas schiefgeht oder es durch Entzündungen zu negativen Folgen kommt, ist erheblich. Bei einer Verdickung wird Fett aus anderen Körperregionen abgesaugt und das Glied damit aufgepolstert.

Die Gründe, warum Männer sich zu einer Schönheitsoperation entschließen, sind ebenso vielfältig wie die Eingriffe: Beseitigung von Fett-Problemzonen oder von Alterserscheinungen, Haartransplantationen oder Angriffspunkte für Hänseleien wie Nasen oder besonders abstehende Ohren.

Ob die Wirtschaftskrise den Trend der Männer zum „Fremdschönen“ beschleunigt, wird hingegen heftig diskutiert. Einige Chirurgen berufen sich sehr wohl auf die Begründung, dass vor allem in die Jahre gekommene Manager auch äußerlich der Erfordernis „jung und dynamisch“ entsprechen wollen. Andere bezweifeln das. Alfred Lackner, seit Jahren als Personalpsychologe und Coach tätig, hält das für eine Mär. „Auf der Managerebene geht es in erster Linie um die Leistung, das aber mehr denn je. Im Vertriebsbereich ist das etwas anderes. Aber das ist ja auch ein Biotop narzisstisch angehauchter Menschen. Da geht es um das Äußere, ums Blenden.“

Selbstsicherer als Frauen. Bei einem aber sind sich alle einig: Fassen Männer einen schönheitschirurgischen Eingriff ins Auge, gehen sie wesentlich pragmatischer und selbstsicherer an die Sache heran als die meisten Frauen. „Männer sind da sehr rationell, haben sich im Internet schon gründlich vorinformiert und haben klare Vorstellungen davon, was sie wollen“, sagt Umschaden. Die männliche Klientel legt Wert auf technische Erklärungen, braucht aber deutlich weniger Beratung als Frauen oder Hilfe bei der Entscheidung, ob dieses oder jenes besser aussehen würde. Männern müsse man auch viel seltener von einer Operation abraten, meint er, da sie „im Vergleich zu Frauen kaum unter einem Fehlempfinden dem eigenen Körper gegenüber leiden“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2011)

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