Brüssel will Boni für Bankmanager verbieten

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Der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso fordert, dass marode Banken erst dann wieder Boni und Dividenden auszahlen dürfen, wenn sie ihr Eigenkapital ausreichend gestärkt haben.

Brüssel. Die Vorstandsdirektoren und Aktionäre jener Banken, die zu wenig hartes Eigenkapital haben und darum mit dem Geld der Steuerzahler gerettet werden müssen, sollen einen Teil der Zeche selbst zahlen: Das forderte der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, am Mittwoch in einer Debatte im Europäischen Parlament.

Barroso schlägt vor, dass die nationalen Finanzaufsichtsbehörden diesen Banken die Auszahlung von Boni an die Manager und Dividenden an die Teilhaber verbieten. „Bis zum Vollzug der Rekapitalisierung würde eine Auszahlung von Dividenden oder Boni von der nationalen Bankenaufsicht unterbunden“, sagte Barroso.

FMA sammelt Bankendaten

Derzeit arbeiten die Prüfer der Europäischen Bankenaufsicht in London sowie ihre Kollegen in den nationalen Behörden angestrengt daran, zu berechnen, wie viel frisches Kapital Europas Banken denn tatsächlich benötigen. Der Internationale Währungsfonds brachte jüngst die Zahl von 200 Milliarden Euro ins Spiel.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf eingeweihte Beamte, dass die Banken bei einem raschen neuen Stresstest eine Kernkapitalquote von sieben bis zehn Prozent zusammenbringen müssen. Kernkapital ist vereinfacht gesagt jenes Kapital, das als am sichersten gilt und am wenigsten von schwankenden Wertpapierkursen und ähnlichen äußeren Faktoren abhängig ist.

Auch die heimische Finanzmarktaufsicht (FMA) fragt Daten bei Erste Group, Raiffeisen Bank International, Bank Austria und Volksbank ab. FMA-Vorstand Kurt Pribil bezeichnete dies allerdings am Mittwoch bloß als „zusätzliche Datenerhebung“ und nicht als Stresstest.

Das Problem mit dem AAA-Rating

Beim letzten Stresstest vor dem Sommer lag die Messlatte für die geprüften europäischen Großbanken bei fünf Prozent. Reuters hat auf Basis der damals veröffentlichten Zahlen berechnet, wie viele Banken den neuen Test schaffen würden. Ergebnis: 48 Kreditinstitute würden durchfallen. Sie bräuchten demzufolge rund 100 Milliarden Euro an frischem Kernkapital.

Doch woher soll dieses Geld kommen? Nach der übereinstimmenden, seit Tagen fast wortgleich vorgetragenen Vorstellung von Barroso und nationalen Regierungspolitikern wie Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sollen zuerst die Aktionäre der Banken beziehungsweise neue Investoren zahlen. In einem zweiten Schritt wären die Steuerzahler der Staaten dran, in denen die betroffenen Banken ansässig sind. Und sollten diese Staaten budgetär ins Schlingern kommen, weil sie die Bankenstützung finanziell überfordert, könnte in allerletzter Konsequenz von der EFSF Geld kommen, der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, also dem EU-Rettungsvehikel. Die EFSF bezahlt bereits die Rekapitalisierung und den Umbau der irischen Banken, nämlich im Rahmen des Hilfspakets für Irland.

Allerdings knüpfen sich an die Rolle des EFSF einige weitere Fragen, die die Fachleute beschäftigen. Allen voran diese: Was ist, wenn Frankreich derart viel Steuergeld in seine angeschlagenen Banken pumpen muss, dass die Ratingagenturen die Bonität der Republik in Zweifel zu ziehen beginnen? Bereits im Zug der Zerschlagung und Teilverstaatlichung der franko-belgischen Bank Dexia wurden Stimmen laut, dass dies Frankreichs Budget so stark belastet, dass das AAA-Rating flöten gehen könnte.

Bis zu 50 Prozent Schuldenschnitt

Das würde unmittelbar die EFSF treffen. Ihr eigenes AAA-Rating wird von den entsprechend soliden Bewertungen der Kreditwürdigkeit Deutschlands und Frankreichs gestützt. Darum sind die EFSF-Anleihen, die sie an den Märkten begibt und mit denen sie das irische, das portugiesische und demnächst das griechische Hilfsprogramm finanziert, sehr niedrig verzinst. Würde Frankreich das AAA-Rating verlieren, träfe dies auch das Rettungsvehikel EFSF.

Und so hängen die Probleme des griechischen Haushalts mit den Problemen der europäischen Banken zusammen: Die griechische Staatsschuldenquote von mehr als 160Prozent wird demnächst durch den Erlass eines Teils der Schulden verkleinert werden; um mindestens 30, vermutlich aber eher um 50Prozent, wie Reuters am Mittwoch berichtete.

Doch wenn das passiert, beißen zahlreiche europäische Banken in den sauren Apfel – vor allem französische, die in Griechenland stark investiert sind, und alle jene, die griechische Anleihen in ihren Büchern noch nicht ausreichend abgeschrieben haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2011)

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