"Wir haben erwartet, dass die Banken schreien"

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Bankenkrach: Der Kampf zwischen Politik und Finanzkonzernen um die Rekapitalisierung der Banken verschärft sich. EU-Kommissar Barnier erinnert die Institute an ihre eigentliche gesellschaftliche Rolle.

Brüssel. In den kommenden Tagen wird die Europäische Bankenaufsicht bekannt geben, welche europäischen Banken wie viel frisches Eigenkapital benötigen und bis zur Erreichung dieses Zieles ihren Direktoren keine Boni sowie ihren Aktionären keine Dividenden auszahlen dürfen. Spätestens am 23. Oktober wird dieser folgenschwere Befund vorliegen, denn dann treffen sich Europas Staats- und Regierungschefs in Brüssel, um der ausufernden Staatsschuldenkrise mit einem umfassenden Plan zur Sanierung der Bankenbranche und zur Umstrukturierung der griechischen Staatsschuld ein Ende zu setzen.

Ackermann führt den Widerstand

Je näher dieser Tag rückt, desto schriller werden die Töne im Kampf um die politische Meinungshoheit zwischen Politik und Finanzlobby. Am Donnerstag erklärte Josef Ackermann, gleichzeitig Vorstandschef der Deutschen Bank und der Welt-Bankenlobby namens „International Institute of Finance“, die EU-Pläne zur strammen Rekapitalisierung der Kreditinstitute für „kontraproduktiv“. „Die Mittel für die Rekapitalisierung werden sicher nicht von privaten Investoren kommen, sondern vielmehr werden die Staaten sie letzten Endes selbst aufbringen müssen und damit ihre Schuldenniveaus verschlimmern.“

Gleichzeitig ließen sich mehrere weitere Bankdirektoren anonymerweise in der „Financial Times“ mit der unverhohlenen Drohung zitieren, bevor sie neuen, strengeren Eigenkapitalregeln folgen, würden sie eher Werte abstoßen und sich kleiner schrumpfen – aber auf Kosten der Kreditvergabe an die Realwirtschaft. „Es ist grundlegend falsch, jetzt das Kapital zu erhöhen.“ Vielmehr müssten Außenstände und riskante Investitionen abgebaut werden, sprich: „Deleveraging“ sei angesagt.

In Brüssel, bei der Europäischen Kommission, nimmt man diese geballte Kritik allerdings gelassen hin. „Wir haben erwartet, dass die Banken aufschreien werden. Und wir erwarten, dass sich ihre Position ändert, wenn sie die konkreten Vorschläge sehen werden“, sagte eine mit der Vorbereitung der Rekapitalisierungspläne befasste Expertin am Mittwoch. Und Binnenmarktkommissar Michel Barnier machte einmal mehr klar, dass er sich von der Finanzwirtschaft nicht auf der Nase herumtanzen lassen will. „Wir brauchen Finanzmärkte, die für die Gesellschaft arbeiten – und nicht umgekehrt“, sagte er bei einer Veranstaltung des Brüsseler Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung. Und er konnte seinen Unmut über den Umgang der europäischen Politiker mit der Finanzkrise nicht verhehlen: „Hätten wir einen Fonds zur Abwicklung von Instituten eingerichtet, der es ermöglicht, dass das Geld der Banken für Krisen zahlt, wäre der Umgang mit dieser Krise ein anderer.“ Zur Erinnerung: Barniers Forderung nach einem EU-weiten Fonds, der den Umbau und die Insolvenz grenzübergreifender Banken ermöglichen würde, ist bisher stets am Njet der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zerschellt.

Was also plant die Kommission jetzt mit den maroden unter den Geldinstituten Europas? Sie will die Geldinstitute für einige Monaten dazu anhalten, einen „Sicherheitsfilter“ in ihre bilanziellen Berechnungen einzuziehen, der zur Folge hat, dass die Staatsanleihen, die sie in ihren Büchern halten, zum jeweiligen Marktpreis verbucht werden. Wenn sich zeigt, dass manche Banken unter dieser Annahme zu wenig supersicheres Kernkapital haben, müssen sie nachbessern – und zwar zuerst dadurch, in dem sie eigene Reserven auflösen. „Wir hoffen, dass das meiste durch die internen Maßnahmen der Banken erreicht werden kann“, sagte die Expertin.

2,5 Billionen Euro Feuerkraft

Als Maßzahl dürften neun Prozent angesetzt werden. Pikantes Detail: Unter dieser Bedingung, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, würde die Deutsche Bank den EU-Test nicht bestehen. Ackermann ließ das dementieren.

Die Kommission rechnet aber damit, dass es nicht so schlimm kommt wie befürchtet. Denn allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres hätten sich Europas Banken rund 50 Milliarden Euro frisches Kapital besorgt. „Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortgesetzt hat und dass wir somit in einer besseren Situation sind als Ende 2010“, sagte die Expertin.

Sollten alle Stricke reißen, springt das Euro-Rettungsvehikel EFSF ein. Es soll seine 440 Milliarden Euro an Krediten auf bis zu 2,5 Billionen Euro „hebeln“ können, indem es zum Beispiel den Kauf von Staatsanleihen versichert. Wie das geschieht, wird am 23. Oktober bekannt werden. Eines sei aber klar, sagte ein anderer Kommissionsbeamter: „Wir werden keinen Vorschlag für einen Hebel machen, der sehr kompliziert und intransparent ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2011)

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