Lohnrunde: Warum die Metaller streiken

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Rund die Hälfte der 165.000 Metallarbeiter beteiligte sich am Donnerstag an Warnstreiks. Grund ist der Streit über die diesjährige Lohnrunde. "Die Presse" hat sich die Argumente der Streitparteien angesehen.

Wien. Dass die Lohnrunde der „Metaller“ heuer härter ablaufen wird, ließ sich bereits in der Vorwoche erahnen: Die Gewerkschafter brachen die erste Verhandlungsrunde ab und präsentierten erstmals öffentlich ihre Forderung in Höhe von 5,5 Prozent – verknüpft mit der Drohung eines Arbeitskampfes. Nachdem am Mittwochabend auch die zweite Verhandlungsrunde mit einem Angebot der Arbeitgeber von durchschnittlich 3,65 Prozent Lohnsteigerung plus Einmalzahlung von 200 Euro ergebnislos geendet hatte, fanden am gestrigen Donnerstag die ersten Warnstreiks in mehr als 150 Unternehmen statt.

In Summe beteiligte sich rund die Hälfte der 165.000 heimischen Beschäftigten in der Metallindustrie an den meist einstündigen Warnstreiks. Betroffen waren dabei so namhafte Betriebe wie Andritz, Magna, die Voest, MAN und BMW in Steyr oder das Opel-Werk in Wien. Heute, Freitag, sollen die Warnstreiks weitergehen und laut Gewerkschaft „in ausgewählten Betrieben“ auf die gesamte achtstündige Schicht ausgedehnt werden.

Diese Streiks könnten bis zum nächsten Verhandlungstermin – geplant am 20. Oktober – weitergehen, um Druck für die „berechtigten Forderungen“ zu machen, so die Arbeitnehmervertreter. „Untragbar“ seien deren Wünsche, antworten darauf die Arbeitgebervertreter. „Die Presse“ hat sich die wichtigsten Argumente beider Seiten angesehen und kritisch geprüft.

1. Die Wirtschaft schwächelt. Der Zeitpunkt ist schlecht für hohe Steigerungen.

Die Konjunkturaussichten werden zunehmend düsterer. So erwartet die Nationalbank, dass die Wirtschaft gegen Jahresende gar nicht mehr wächst. 2012 soll das Wachstum nur mehr rund ein Drittel des heurigen Wertes betragen. Allerdings erwarten die Ökonomen für das Gesamtjahr 2011 noch ein kräftiges Wachstum von rund drei Prozent. Und von „dieser Ernte“ wollen die Arbeitnehmer ein „faires Stück“ abbekommen. Zudem gibt es nie einen richtigen Zeitpunkt für hohe Lohnsteigerungen. So wurde im Vorjahr von der Arbeitgeberseite auch auf „moderate“ Steigerungen gedrängt, da es sich beim damals bereits kräftigen Wachstum ja um ein „Strohfeuer“ handeln könnte.

2. Bei den angebotenen 3,65 Prozent Steigerung bleiben netto nur 40 Euro übrig.

Bei einem Bruttoeinkommen von 2200 Euro im Monat bringt eine Lohnsteigerung um 3,65Prozent etwa 40 Euro netto. Für das Unternehmen fällt die Steigerung jedoch deutlich größer aus. So erhöht sich der Bruttolohn dieses Arbeitnehmers bereits um 73 Euro. Werden noch die Nebenabgaben des Arbeitgebers hinzugerechnet, steigert dies die Personalkosten bereits um 105 Euro. Der wirkliche Gewinner jeglicher Gehaltserhöhungen ist also der Staat. Denn auch bei durchschnittlichen Einkommen kassiert er bereits gut 60 Cent von jedem Euro, den der Arbeitgeber zusätzlich zahlt.

3. Eine Steigerung von 3,65 Prozent wäre die deutlichste Erhöhung seit Langem.

Für Arbeitnehmer stimmt dieser Befund: Keine Lohnrunde lag in den vergangenen drei Jahren über diesem Wert. Laut einer Studie des Personalberaters Kienbaum stiegen allerdings die Grundgehälter der Führungskräfte heuer im Schnitt bereits um 4,1 Prozent. Die Bonuszahlungen für Geschäftsführer und Vorstände erhöhten sich sogar um zwölf Prozent auf durchschnittlich 68.000 Euro. Für 2012 erwarten die Personalberater trotz schlechterer wirtschaftlicher Aussichten einen Anstieg der Führungskräftegehälter um drei Prozent.

4. Die Inflation ist nachhaltig. Daher muss auch die Lohnsteigerung nachhaltig sein.

Der Verbraucherpreisindex ist zurzeit vor allem von den Energiepreisen getrieben. So wurde etwa Diesel im September um 19Prozent gegenüber dem Vorjahr teurer. Grund dafür war die weltweit starke Konjunktur. Kommt es nun zu einer Abkühlung, dürften die Energiepreise wieder sinken, und sie könnten somit auch die Inflation reduzieren, wie das bereits im Jahr 2009 der Fall war. Zudem sind die Unternehmen ebenfalls von der Inflation betroffen und müssen Preissteigerungen auf dem Markt unterbringen können. Bisher ist ihnen das gelungen, in einem allgemeinen Abschwung sind Preissteigerungen aber de facto unmöglich.

5. Starke Lohnsteigerungen gefährden die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs.

Das ist natürlich richtig. Allerdings hat sich Österreich in dieser Disziplin in den vergangenen Jahren eine gute Position aufgebaut. So sanken die Lohnstückkosten seit 2005 im Verhältnis zu den anderen EU-Ländern um durchschnittlich 0,8 Prozent pro Jahr. Grund dafür waren unter anderem Lohnrunden unter der Inflationsrate, die zu Reallohnverlusten führten.

6. Einmalzahlungen dürfen prozentuelle Lohnsteigerungen nicht ersetzen.

Natürlich sind prozentuelle Lohnsteigerungen den Arbeitnehmern lieber. In manchen Fällen sind Einmalzahlungen aber sinnvoller. Etwa bei der diesjährigen Produktivitätssteigerung von fünf Prozent. Diese ist laut Ökonomen vor allem durch die gute Auslastung der Unternehmen entstanden. Schwächt sich die wirtschaftliche Lage ab, kann auch die Produktivität wieder zurückgehen – wie im Jahr 2009. Würden solche „konjunkturellen Veränderungen“ der Produktivität jedes Jahr prozentuell in die Lohnrunde einfließen, müssten die Löhne in Krisenjahren sinken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2011)

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