Gewerkschaft: "Das wird eine Streikbewegung"

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Gewerkschaft pocht auf 5,5 Prozent mehr Lohn und droht mit unbefristeten Streiks ab Montag. Die Arbeitgeber gehen indes auf Tauchstation. Laut Plan ist die nächste Verhandlungsrunde am 20. Oktober angesetzt.

Wien. Auf dem Parkplatz des Opel-Werks in Aspern ist alles wie sonst auch: Ein paar Mitarbeiter eilen vom Firmengebäude zu ihren Autos, einige kommen gerade an, es ist ruhig. Die Kulisse allein lässt nicht erahnen, dass hinter den Gittertoren die Zeichen auf Sturm stehen: Die Mitarbeiter haben die Arbeit niedergelegt. Und sie sind damit nicht allein. In etwa 200 heimischen Metallbetrieben sind Arbeiter und Angestellte am Freitag zum ersten Mal seit 25 Jahren in einen Vollstreik getreten.

Ihre Gewerkschaft fordert 5,5 Prozent mehr Lohn – was die Arbeitgeber für völlig überzogen halten. Sie bieten 3,65 Prozent, plus 200 Euro Einmalzahlung. Ein Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, das am Mittwochabend zum Abbruch der Lohnverhandlungen geführt hat. Und schließlich dazu, dass sich ein Gutteil der rund 165.000 Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie im Ausstand befindet.

Einer der Streikenden ist Oswald Letofsky, 57 und langjähriger Mitarbeiter im Asperner Werk. Als Staplerfahrer verdient er dort etwa 1700 Euro netto, Überstunden exklusive. „Ich stehe voll dahinter“, sagt er, sichtlich kampfbereit. Immerhin habe man in der Krise viel mitgetragen, wie etwa weniger für die Sonderschichten am Samstag zu bekommen. „Die Einmalzahlungen sollen sie sich behalten. Alles wird teurer, und sie stecken ein und stecken ein. Wir haben das Recht auf eine kräftige Lohnerhöhung. Ein Fünfer muss es mindestens sein. Die Gewerkschaft darf diesmal nicht nachlassen“, sagt Letofsky und eilt zu seiner Schicht – die heute mit einer Betriebsversammlung beginnen und arbeitsfrei bleiben wird.

Johann Laschek, Angestellter in der Planungsabteilung, wählt eine mildere Rhetorik – aber solidarisch zeigt er sich trotzdem, wie er sagt. „Muss man ja“. Am Ende aber, meint er, werde man sich freilich wie immer in der Mitte einigen. „Aber vielleicht braucht es diese Maßnahmen auch einmal.“ „Super“, ruft ein anderer Mitarbeiter euphorisch, als er auf den Streik angesprochen wird.

„Kein Kommentar“ der Industrie

Die Arbeitnehmervertreter selbst griffen zu deutlich schärferen Worten: „Wir sind nicht die Rotzbuben von Hinteregger“, (Christoph, Arbeitgeber-Chefverhandler, Anm.) sagte etwa Hans-Karl Schaller, Konzernbetriebsrats-Vorsitzender der Voestalpine, zur APA und kritisierte, dass von der Seite der Arbeitgeber „nicht ordentlich verhandelt“ werde.

Diese sehen das freilich anders. Sie berufen sich bei ihrem Angebot auf die eher düsteren Konjunkturaussichten: Gegen Jahresende soll die Wirtschaft stagnieren, so die Prognose der Nationalbank. Im Gesamtjahr 2011 werden zwar noch drei Prozent Wachstum erwartet, nächstes Jahr soll es aber nur noch ein Drittel davon sein. Die Arbeitnehmer argumentierten zuletzt, dass eine prozentuelle Lohnerhöhung nachhaltig wirke und die Unternehmen bei einem neuerlichen Wirtschaftseinbruch überfordern könne. Am Freitag war dann aber niemand mehr für eine Stellungnahme zu erreichen. Die Industriellenvereinigung verwies an Chefverhandler Hinteregger. „Kein Kommentar“, ließ dieser über einen Sprecher ausrichten.

Laut Plan ist die nächste Verhandlungsrunde am 20. Oktober angesetzt. Ob bereits vorher weitere Gespräche stattfinden, dazu wollten sich die Arbeitgeber nicht äußern. Nach Warn- und befristeten Streiks hat die Gewerkschaft angedroht, den Ausstand bis zum 20. Oktober zu verlängern. „Das Ganze wird eine Streikbewegung“, sagte Angestellten-Verhandler Karl Proyer zur APA.

„Ab Montag unbefristeter Streik“

Beim Aufzugsunternehmen Thyssen-Krupp in Wien ist der Streik ab Montag offenbar schon beschlossene Sache: Die Monteure befänden sich – von einem Notdienst abgesehen – seit der Frühschicht im Ausstand, sagt Betriebsrat Oswald Rosenits, der die Streikenden mit Essen, Getränken und Informationen versorgt. Auch beim Nutzfahrzeug-Konzern MAN in Wien Liesing steht laut Betriebsrats-Vorsitzendem Michael Walczyk „das ganze Werk still“. Lediglich die Warenannahme sei noch besetzt. „Aber nur noch heute. Am Montag beginnt ein unbefristeter Streik“, sagt er. Gestreikt wurde unter anderem auch bei der Voest, Magna, BMW und Otis.

Wie es im Opel-Werk Aspern weitergeht? Die Betriebsrats-Vorsitzende Renate Blauensteiner war am Freitag nicht erreichbar. Und wie findet man den Streik in der Unternehmensleitung? „Wir haben den Streik nicht angefangen. Von uns gibt es keine Stellungnahme“, heißt es aus der Pressestelle. Medien mussten übrigens draußen bleiben.

Auf einen Blick

Zum ersten Mal seit 25 Jahren sind die Beschäftigten in etwa 200 heimischen Metallbetrieben in einen Vollstreik getreten. Die Gewerkschaft fordert eine Lohnerhöhung von 5,5 Prozent für die 165.000 Beschäftigten in der Metallindustrie. Die Arbeitgeber bieten 3,65 plus eine Einmalzahlung. Ab Montag könnten die Streiks unbefristet verlängert werden, so die Gewerkschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2011)

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