Blackout: Was, wenn der Strom ausbleibt?

Blackout wenn Strom ausbleibt
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Das Risiko für einen Blackout steigt, die Folgen wären ohne Notfallpläne fatal. Österreichs Politik nimmt das Thema wenig ernst. Mehrere Ministerien streiten, wer zuständig ist.

Am 13. Juli 2011 gingen um Punkt 22.34 Uhr im deutschen Hannover alle Lichter aus. 500.000 Menschen waren ohne Strom, die Folgen besorgniserregend: Mit Notaggregaten hielt die Feuerwehr die Beatmungsgeräte von Intensivpflegepatienten am Laufen, in der Stadt kam es zu Plünderungen. Eine halbe Stunde nach Mitternacht war der Spuk dann vorbei, das Netz ging wieder „online“.

Dieses Mal hatte der Rest Europas Glück: Wegen der kontinentalen Vernetzung können sich lokale Ausfälle in der Stromversorgung nämlich auch kaskadenartig über Grenzen hinweg ausbreiten. Was ein solcher Blackout für Österreich bedeuten würde, haben nun Wissenschaftler und ehemalige Militärs herausgearbeitet. Ergebnis: Der Begriff der nationalen Katastrophe ist nicht zu weit hergeholt. Gleichzeitig steigt das Risiko für großflächige Netzausfälle deutlich an, bundesweite Notfallpläne existieren nicht. Die gute Nachricht jedoch lautet: Eine nachhaltige Vorsorge in die nationale Sicherheit wäre mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln machbar. Die Politik müsste sich nur dafür interessieren.

Chaos binnen Stunden. Was wirklich geschieht, wenn das Licht für mehrere Stunden ausgeht, hat Udo Ladinig im Auftrag des Militärkommandos Niederösterreich in akribischer Kleinarbeit nachgezeichnet. Der Oberst a.D. kam zu dem Schluss, dass bereits wenige Stunden nach dem Breakdown nichts mehr geht (siehe Grafik). Industrie, Schienenverkehr, Internet, Fest- und Mobilnetz fallen sofort aus. Auch die Wasserversorgung kommt dort, wo Pumpen im Einsatz sind, zum Erliegen. Ebenso die 2656 Tankstellen, denn: Notstromeinrichtungen fehlen.

Nach sechs Stunden stehen deshalb auch private und behördliche Kfz still: Mangels Treibstoff gehen die Flotten von Polizei, Rettung und Feuerwehr außer Dienst, die Akkus des Behördenfunks leeren sich. Ohne Kommunikationsmöglichkeiten spitzt sich die Krise zu. Öffentliche Ordnung und Sicherheit geraten in Gefahr. Chaos droht.

Gewaltige Kosten. Richtig ungemütlich wird es in Ladinigs Szenario zwischen Stunde sieben und 24. Spätestens dann geht auch den Notstromaggregaten der Treibstoff aus. Krankenhäuser stehen still, Leichen können weder gekühlt noch abtransportiert werden, ohne Wasser und Pumpen versagt das Abwassersystem. Damit steigt die Seuchengefahr schlagartig. Nach einem Tag ohne Treibstoffnachschub ist selbst das Bundesheer handlungsunfähig.

Zu alledem kommt der enorme wirtschaftliche Schaden. In einer noch unveröffentlichten Studie des Energieinstituts an der Linzer Kepler-Universität („Blackouts in Österreich“) wurde ein taggenaues Rechenmodell entwickelt. Für einen 24-stündigen Ausfall am 13.10. 2011 ermittelte das System einen (theoretischen) volkswirtschaftlichen Schaden von 875 Mio. Euro. Studienleiter Johannes Reichl: „Dabei haben zumindest Teile der Industrie vorgesorgt. Den privaten Sektor würde ein Blackout unvorbereitet treffen.“

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass ein Blackout nach 24 Stunden vorbei ist. „Das Hochfahren nach einem Totalausfall kann bis zu einer Woche dauern“, sagt Heinz Kaupa, Technikvorstand der Austrian Power Grid (AGP), die in Österreich 95 Prozent des Übertragungsnetzes betreibt. Auch die Wahrscheinlichkeit dafür steigt. 2003 und 2006 registrierte man in der Schweiz und in Deutschland Zwischenfälle, die nur um Haaresbreite keinen Blackout auslösten. Kaupa: „Damals hatten wir richtig Glück.“ Generell beobachtete die APG in den vergangenen Monaten, dass die Netze immer labiler werden. Stabil ist ein Netz nämlich nur dann, wenn sich Produktion (Kraftwerke) und Konsum (Verbraucher) die Waage halten. Kippt dieses Gleichgewicht, kippt das Netz. Die Risikofaktoren mehren sich. Zum Beispiel durch die AKW-Abschaltungen in Deutschland. Auch der verstärkte Einsatz von Wind- und Solarkraft macht Probleme, weil diese Anlagen mit dem Aufgehen der Sonne schlagartig die Netze labil machen. Die zunehmenden Gefahren durch Hacker-Angriffe sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Was in Österreich fehlt, ist eine bundesweite Notfallvorsorge. Dabei wäre die im Vergleich zu den Kosten für eines Blackout gar nicht teuer. Laut dem Szenario, das Ladinig für das Militärkommando Niederösterreich erstellt hat, würden bereits 91 „kristenfeste“ Tankstellen im Bundesgebiet ausreichen, um Notstromversorgung und Einsatzfähigkeit der Blaulichtorganisationen zu sichern. Die Kosten für die nötigen Notaggregate an den Tankstellen schätzt er auf 7,3 Mio. Euro. Zum Vergleich: Ein Tag Blackout kostet 875 Mio.

(c) Die Presse / HR

Das Interesse der Politik an dem Thema ist enden wollend. Trotz Verpflichtungen. In der 2009 in Kraft getretene EU-Richtlinie 119/EG heißt es: „Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Vorräte (Anm.: Treibstoff) zu jedem Zeitpunkt verfügbar und physisch zugänglich sind.“ Mit Pumpen, die am Stromnetz hängen, ist das im Fall eines Blackouts jedoch nicht möglich. Lösung ist noch keine in Sicht. Derzeit sind Bundeskanzleramt, Innen-, Wirtschafts- und Verteidigungsministerium damit beschäftigt zu klären, wer überhaupt zuständig ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2011)

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