Foglar: "ÖVP ist für ernsthafte Argumente nicht offen"

Foglar oeVP fuer ernsthafte
Foglar oeVP fuer ernsthafte(c) APA
  • Drucken

ÖGB-Chef Erich Foglar über die Klassenkampfrhetorik der Volkspartei, fehlende Effizienz in der staatlichen Verwaltung und den Metallerstreik. Heftige Kritik übt er am Studiengebührenmodell von Töchterle.

Die Presse: Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) appelliert immer wieder an die „vernünftigen Stimmen“ in der SPÖ, seinem Studiengebührenmodell zuzustimmen. Besteht die Chance, dass Sie einer dieser Vernünftigen sind?

Erich Foglar: Studiengebühren sind Studiengebühren. Ich wüsste nicht, was aufgrund dieses neuen Modells innerhalb der SPÖ diese Meinung ändern sollte. Nur weil Töchterle die Verantwortung, Studiengebühren einzuheben, auf die Unis abschieben will, ist das Konzept doch nicht besser.

Gemäß eines VfGH-Urteils muss das bestehende Modell bis Februar überarbeitet werden – sonst entfallen die Studiengebühren ganz. Die SPÖ kann die Gebührenfrage also einfach aussitzen. Ist es das, was Sie wollen?

Wir als ÖGB meinen, dass Studiengebühren eine Hürde sind. Wir fordern stattdessen eine ausreichende Finanzierung der Universitäten. Gebühren lösen die Finanzprobleme der Hochschulen nicht. Zudem, und das muss man ganz offen sagen, gibt es noch Effizienzpotenziale, die die Universitäten endlich ausschöpfen müssen.

Warum kann man nicht verlangen, dass Studierende oder deren Eltern einen Beitrag leisten?

Sie leisten bereits jetzt den Löwenanteil zur Finanzierung der Unis. Die Arbeitnehmer sind jene, die mehr als zwei Drittel des Steueraufkommens berappen. Über die Lohnsteuer – und als große Masse der Konsumenten.

Die ÖVP argumentiert immer etwas plump, dass nicht die Arbeiter den Kindern reicher Eltern das Studium finanzieren sollen. Ganz unrecht hat sie damit also nicht...

Natürlich ist da was dran. Aber genau das spricht ja für jene vermögensbezogene Steuern, die wir fordern. Sie sehen an diesem Beispiel auch, wie unlogisch die Argumentation der ÖVP derzeit ist. Die Allerreichsten schützt sie. Aber die Studiengebühren hält sie, nur weil Töchterle diese in seinem Konzept ein bisschen sozial behübscht hat, für zumutbar.

Die Fachhochschulen haben die Möglichkeit, Studiengebühren einzuheben, müssen es aber nicht. Interessant ist, dass ausgerechnet die FH des bfi Wien, deren Erhalter der ÖGB ist, nicht auf die Gebühren verzichten will. Wie geht es Ihnen damit?

Es geht mir gut damit. Denn wir als ÖGB fordern, dass wir auch an den FH die Gebühren abschaffen.

Dann machen Sie es doch, zumindest an Ihrer eigenen FH.

Die Politik kann nicht alle Probleme auf die FH-Erhalter abwälzen. Wir können nicht auf die Gebühren verzichten, solange es keinen Ersatz aus öffentlichen Mitteln gibt.

Fordern Sie, wie einige SPÖ-Kollegen, eine Volksbefragung zur Vermögenssteuer?

Ich wünsche mir, dass die Regierung in den politischen Debatten wieder auf eine sachliche, entemotionalisierte Ebene kommt. Davon sind wir leider weit weg.

Warum gelingt das so schlecht?

Weil die ÖVP sehr emotional reagiert. Sie ist für ernsthafte Argumente abseits von Klassenkampfrhetorik nicht offen.

Derzeit ist es wohl eher die Metallergewerkschaft, die Klassenkampf betreibt, indem sie mehr als 200 Betriebe bestreikt, um ihre Lohnforderungen durchzusetzen.

Die Gewerkschaften bedienen sich der demokratischen Mittel, die ihnen zur Durchsetzung ihrer Forderungen zur Verfügung stehen. Dass so viele Betriebe mitmachen, zeigt, dass die Kolleginnen und Kollegen hinter den Forderungen und dieser Vorgangsweise stehen. Ich hoffe, das trägt dazu bei, dass rasch wieder verhandelt und ein Abschluss vereinbart wird.

Zumindest dem Kanzler müssen Sie einen ähnlichen Vorwurf machen wie der ÖVP. Wenn er das Ende des sozialen Friedens in Europa beschwört, trägt das nicht zur Versachlichung bei.

Wenn wir feststellen, dass der soziale Friede gefährdet ist, hat das nichts mit Klassenkampfrhetorik zu tun. Wir müssen nur nach Griechenland, Spanien oder Großbritannien schauen, dann sehen wir: Wir stecken schon mitten drinnen. Wir haben eine Finanzkrise, die zuerst zur Wirtschafts- und mittlerweile zur demokratiepolitischen und sozialen Krise wurde. Ökonomisch gesehen ist das riesige Ungleichgewicht zwischen explodierenden Gewinnen während der vergangenen 20 Jahren einerseits und der sinkenden Lohnquote andererseits unser Grundproblem. Wer das Problem nicht sieht, betreibt Realitätsverweigerung.

Der SPÖ fehlen – vor allem im Bildungsbereich – die eigenen Konzepte. Es ist doch für eine Kanzlerpartei ein bisschen zu wenig, immer nur Nein zu sagen.

Zu sagen, dass Lehre und Forschung aus öffentlichen Mitteln finanziert werden müssen, ist eine ganz klare Grundposition.

Die Vermögenssteuer wird nicht kommen. Wer zusätzliche Mittel für die Unis will, muss also umschichten. Wo soll eingespart werden?

Es ist nicht sinnvoll, einem Einzelnen etwas wegzunehmen, nur um woanders etwas reinzustecken. Ich erwarte mir quer durch alle Bereiche des staatlichen Wirkens – vom Gesundheitswesen bis zur Schulverwaltung – mehr Effizienz und Effektivität. Oder die Länder: In vielen Bereichen haben wir neun Verordnungen, neun Gesetze. Daran scheitern die simpelsten Dinge, denken Sie etwa an die einheitliche Mindestsicherung. Hier müssen wir effizienter arbeiten. Leider geschieht das nur sehr zögerlich.

Warum ist denn die Regierung, in der Ihre Partei den Kanzler stellt, so zögerlich?

Diese Einschätzung teile ich nicht. Die Koalition macht sehr viel. Aber sie kämpft – quer über Parteigrenzen – mit Widerständen aus Ländern und Gemeinden. Das ist unser Grundproblem: Die Interessenlage ist sehr vielfältig für so ein kleines Land.

Zur Person

Erich Foglar (55) ist seit Anfang Dezember 2008 geschäftsführender und seit Ende Juni 2009 vom Bundeskongress gewählter Präsident des Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Der gelernte Werkzeugmacher aus Wien kommt aus der starken Metallergewerkschaft und folgte an der ÖGB-Spitze Rudolf Hundstorfer nach, der im Dezember 2008 Sozialminister im Kabinett Faymann wurde. Zuvor war Foglar bereits im Frühjahr 2006 mitten in der Gewerkschaftskrise wegen des Bawag-Finanzdesasters kurzfristig ÖGB-Finanzreferent gewesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Politik

Steuer-Streit: Bauernbund nun doch für Solidarabgabe

Bauernbund-Chef Grillitsch will sich in der Integrationsdebatte "nicht ins rechte Eck stellen lassen" und bewegt sich in der Frage nach einer höheren Besteuerung von Spitzenverdienern.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.