Studien beweisen, dass "English" für die Wirtschaft nicht immer genug ist.
Vor einer Woche wurde im Forum Bildung von einer Studie des Instituts für Bildung und Wissenschaft (ibw) berichtet, die auffällig große Mängel von AHS-AbsolventInnen im Bereich Wirtschaft aufzeigt. Der an der WU tätige Wirtschaftspädagoge Univ.-Prof. Dr. Josef Aff schlug in diesem Zusammenhang in der „Presse“ (Montagsausgabe) völlig zu Recht vor, das Fach Wirtschaft an der AHS besser zu positionieren, meint aber etwas vorschnell, dass Stunden in der zweiten oder dritten Fremdsprache ohne Weiteres zugunsten des neuen Fachs gekürzt werden könnten. Denn, sagt Aff, „arbeitsrelevant“ sei ohnehin nur Englisch.
Was die Arbeits- und Berufsrelevanz von Fremdsprachen betrifft, sei diesem Vorschlag eine andere Studie des ibw entgegengehalten: In „Fremdsprachenbedarf und -kompetenzen“ (ibw-Schriftenreihe Nr.131) kommen Archan/Dornmayr u.a. zu folgenden Ergebnissen: 80Prozent der befragten Betriebe haben Geschäftsbeziehungen zu nicht deutschsprachigen Ländern, wobei Italien, Ungarn und Tschechien zu den wichtigsten Handelspartnern zählen. Ein Drittel der Unternehmen gab an, Mitarbeiter mit profunden Italienischkenntnissen zu benötigen. Die Befragten orten ferner einen steigenden Bedarf an „Ostsprachen“ für ihre Unternehmen. Ein Viertel benötigt Leute mit Französischkenntnissen.
Auch international kommen Studien zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Gern wird die im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführte ELAN-Studie aus 2006 zitiert, wonach vor allem Klein- und Mittelbetrieben aufgrund mangelnder Fremdsprachenkenntnisse Aufträge in Millionenhöhe entgangen sind.
Mehrsprachigkeit ist allerdings nicht nur ein Anliegen der Wirtschaft, sondern auch erklärtes politisches Ziel der Europäischen Union. Jeder EU-Bürger und jede EU-Bürgerin soll zusätzlich zur eigenen Mutter- bzw. Erstsprache (zumindest) zwei weitere Sprachen beherrschen. Auf nationaler Ebene engagiert sich das Expertengremium des Österreichischen Sprachenkomitees (ÖSKO) dafür, die Potenziale einer nicht zuletzt durch Migration immer multilingualer werdenden Gesellschaft in Bildung und Wirtschaft auszuschöpfen.
Für ArbeitnehmerInnen ist das in Studien belegte Faktum, dass Unternehmen ihren Fremdsprachenbedarf eher durch Aufnahme von Leuten mit entsprechenden Sprachkenntnissen decken, als in Weiterbildung zu investieren, ein Wettbewerbsvorteil, wenn diese mehr als das im Berufsleben ohnehin vorausgesetzte Englisch gelernt haben. Laut einer Eurobarometer-Umfrage haben zwei Drittel der Befragten ihre Fremdsprachenkenntnisse während der Schulzeit erworben. Daher erscheint die Investition in Mehrsprachigkeitskompetenz gerade in dieser Lebensphase besonders zielführend.
In der Bildungsdiskussion sollte es daher nicht heißen: „Fremdsprachen oder Wirtschaft“ – sondern „Fremdsprachen und Wirtschaft.“
Zur Person
Martin Stegu ist Universitätsprofessor für romansiche Sprachen am Department für Fremdsprachliche Wirtschaftskommunikation der WU Wien.
E-Mails an: bildung@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2011)