Klimaforschung: Brachte Kolumbus die Kleine Eiszeit?

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Die Eroberung der Neuen Welt durch Kolumbus bzw. das folgende Massensterben ihrer Indigenen und die darauffolgende Bewaldung soll so viel CO2 aus der Atmosphäre geholt haben, dass es im Norden kalt wurde.

Nachdem es im Mittelalter im Norden so warm war, dass in England Reben gediehen und auf Grönland Getreide, sanken die Temperaturen ab dem 15. Jahrhundert, erst leicht, dann, ab 1559, so dramatisch, dass die folgenden zwei Jahrhunderte als „Kleine Eiszeit“ in die Geschichte eingingen. Zur Erklärung dieses Umschwungs gibt es nur Hypothesen: Die Sonne habe mitgespielt – von 1654 bis 1715 war sie extrem inaktiv („Maunder-Minimum“), aber da war die Abkühlung schon in vollem Gang –, Vulkane hätten mit ihren Wolken gekühlt, etwa der Laki auf Island 1783, auch da war es schon lange kalt. Deshalb bringt Richard Nevle, Geochemiker der Stanford University, seit geraumer Zeit einen neuen Kandidaten ins Spiel: Kolumbus bzw. die ihm folgenden Kolonisatoren.
Sie hätten dafür gesorgt, dass die gar nicht so dünn besiedelte Neue Welt in relativ kurzer Zeit fast ausgestorben wäre: Demnach lebten Ende des 15. Jahrhunderts, als Kolumbus sich auf den Weg machte, zwischen 40 und 80 Millionen Menschen vor allem in Mittel- und Südamerika, und sie rodeten mit Feuer. Aber bald nach der Ankunft der Europäer starben sie vor allem an ihnen unbekannten Krankheiten  – Pocken, Diphterie –, 90 Prozent verschwanden, das war etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung, gerodet wurden die Wälder nicht mehr.

Mit den Europäern kam der Wald

Stattdessen nahmen diese die freien Flächen wieder in Besitz und holten CO2 aus der Atmosphäre, fünf bis zehn Gigatonnen. Die trugen mit dazu bei, dass zwischen 1525 und 1600 die CO2-Gehalte der Atmosphäre um zwei Prozent fielen und sich in ihrer Zusammensetzung veränderten, das Isotop 13C wurde gegenüber 12C häufiger, man interpretiert es dahin, dass Pflanzen bevorzugt 12C aufnehmen: „Wir haben eine massive Wiederbewaldung in Koinzidenz der Ankunft der Europäer“, erklärte Nevle auf dem Jahreskongress der Geological Society of America in Minneapolis: „Das bestätigt die Hypothese von William Ruddiman.“
Der hatte als Erster einen frühen anthropogenen Klima-Einfluss vermutet: Der Mensch wärme/kühle via CO2 mit, aber er tue das nicht erst seit der industriellen Revolution, er habe es schon mit den Rodungen für die Landwirtschaft vor 7000 Jahren getan. Das Postulat kam 2003 und war hoch umstritten, inzwischen hat sich der Kreis um Ruddiman erweitert, etwa um Nevle, der beim Kongress schloss: „Unser Befund zeigt die Größenordnung, in der vorindustrielle menschliche Aktivitäten das Treibhausgasbudget der Atmosphäre beeinflussten.“
Das ist mit Recht vorsichtig formuliert: Den ganzen CO2-Rückgang im 16. Jahrhundert erklärt der Befund nicht. Und die ganze Kleine Eiszeit schon gar nicht: Schon im 15. Jahrhundert verschwanden die Wikinger aus Grönland – und um 1492 soll der Papst Kolumbus beauftragt haben, nachzusehen, ob die Grönländer noch einen Bischof haben, der Kontakt war schon lange abgerissen.

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