Missbrauch: ÖVP will längere Verjährungsfristen im Zivilrecht

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Die Volkspartei stellt ein Maßnahmenbündel vor und fordert die Stadt Wien auf, die Wilhelminenberg-Opfer zu entschädigen. Im Strafrecht sieht Karl keinen Handlungsbedarf.

Wien/Pri. Die Missbrauchsvorwürfe gegen das Kinderheim am Wilhelminenberg veranlassten Parteichef Michael Spindelegger offenbar dazu, das Maßnahmenbündel der ÖVP für die Bereiche Justiz und Sicherheit kurzerhand um einen Punkt zu erweitern: Die Verjährungsfristen im Zivilrecht sollten verlängert werden, sagte der Vizekanzler am Dienstag bei einer Pressekonferenz, flankiert von Justizministerin Beatrix Karl und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.

Derzeit nämlich verjähren die Schadenersatzansprüche bei sexuellem Missbrauch nach drei Jahren, wenn der Täter bekannt ist – und nach 30 Jahren, so er unbekannt ist. Bei staatlichen Heimen wie jenem am Wilhelminenberg gilt eine Frist von zehn Jahren. Wobei der Schadenersatzanspruch danach nicht ende – er sei nur nicht mehr einklagbar, erklärte die Justizministerin. Der Stadt Wien stehe es daher frei, die Opfer zu entschädigen: „Und sie sollte das auch tun.“

Im Strafrecht sieht Karl keinen Handlungsbedarf: Die Verjährungsfristen seien erst 2010 verlängert worden. Dafür erhebt die ÖVP eine Reihe anderer Forderungen:

1. Gewalt gegen Kinder: Längere Haftzeiten, keine Geldstrafen mehr

Bei Gewaltdelikten gegen Kinder sollen Mindeststrafen eingeführt werden. Auf „Gefährliche Drohung“ etwa steht derzeit eine Strafe von bis zu einem Jahr Haft – künftig sollen es mindestens zwei Monate und maximal zwölf sein. Die Möglichkeit, alternativ Geldstrafen zu verhängen, will Justizministerin Beatrix Karl abschaffen. Die Änderungen sollen noch im Herbst vom Nationalrat beschlossen werden.

2. „Grooming“ und Kinderpornos: Bis zu zwei Jahren Gefängnis

Mit einer Strafe von bis zu zwei Jahren Haft muss ebenso ab Herbst rechnen, wer sich Kinderpornos ansieht oder via Internet sexuelle Kontakte mit unter 14-Jährigen anbahnt. Denn allein die Anbahnung, „Grooming“ genannt, soll ein eigener Tatbestand werden.

3. Einbrüche: Härtere Strafen – vor allem für Wiederholungstäter

67,2Prozent aller Einbrüche in Österreich werden von ausländischen Banden verübt. Und die Täter kommen wieder: 44,2Prozent schlagen zweimal zu, 20,4Prozent dreimal und 35,5Prozent viermal oder öfters. Daraus schließt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, dass die Strafen auf Einbruch „zu attraktiv“ sind: Bis zu fünf Jahren Haft stehen hierzulande auf Wohnungseinbruch, in Deutschland bis zu zehn.

Das dient der Ministerin als Vorbild: Sie will die Mindeststrafen erhöhen und den Strafrahmen bei Wiederholungstätern ausweiten.

4. Drogenmissbrauch: Haartests und mehr Rechte für die Polizei

Die Zahl der Drogenkonsumenten zwischen 14 und 18 Jahren hat sich in den vergangenen Jahren verdoppelt. Mikl-Leitner drängt deshalb auf eine kürzere „Reaktionskette“: Die Polizei soll Jugendliche zu den Gesundheitsbehörden begleiten dürfen. Derzeit braucht es einen Beschluss der Staatsanwaltschaft. Das Problem dabei: „Das kann Wochen dauern, sodass der Drogenkonsum dann nicht mehr nachweisbar ist“, sagte die Ministerin.

Beim Drogenscreening sollen (neben Blut und Harn) auch Haaruntersuchungen eingeführt werden, weil so die Drogenhistorie am besten zu rekonstruieren sei.

5. Internet-Kriminalität: Eine Strategie und neue Spezialeinheiten

Das Innenministerium wird in den nächsten eineinhalb Jahren eine Sicherheitsstrategie für das Internet erarbeiten und eine Meldestelle einrichten, die Hilfe bei Cyber-Kriminalität anbietet. Derzeit werden 300Internet-Polizisten ausgebildet– dem Heer empfahl Mikl-Leitner Ähnliches: Es wäre wünschenswert, wenn die Sicherheit im Netz Teil der Grundausbildung würde. Der Fall WILHELMINENBERG S. 9

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2011)

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