Konjunktur: China fällt als Retter aus

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Die chinesische Wirtschaft legte im dritten Quartal schwächer als erwartet zu. Exporte und Importe gehen zurück, die Inflation verharrt auf hohem Niveau. Gefahr einer deutlichen Abkühlung besteht.

Wien/Stef/Ag. Auf den ersten Blick scheinen die vielen besorgten Kommentare zur Lage in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt gar nicht berechtigt: Chinas Wirtschaft ist im dritten Quartal im Vorjahresvergleich um 9,1 Prozent gewachsen. Ein Wert, der zwar knapp unter den Erwartungen von 9,2 Prozent liegt, von dem die EU oder die Vereinigten Staaten aber bloß träumen können.

Doch Chinas Wirtschaft tickt anders: Ein schnelleres Wachstum als in Europa sei nötig, um der wachsenden Bevölkerung Arbeit zu verschaffen, warnen Ökonomen. Hinzu kommt das Problem der Teuerung. Im September lag die Inflation bei 6,1Prozent. Das ist etwas weniger als im Frühjahr. Allerdings erhoffte sich die Zentralregierung in Peking nach fünf Zinserhöhungen in den vergangenen zwölf Monaten mehr. Als offizielles Ziel hat sie eine Inflationsrate von vier Prozent ausgegeben.

Enttäuschte Marktbeobachter

Die Folge ist ein Dilemma, das nicht nur Aktienhändler beunruhigt. Das sich deutlich verlangsamende Wachstum – zu Jahresbeginn legte die chinesische Konjunktur noch um 9,7Prozent zu – würde eigentlich nach einer Zinssenkung rufen. Doch dafür ist die Teuerung zu hoch. Der Großteil der von der Nachrichtenagentur Dow Jones befragten Analysten erwartet deshalb, dass die Zentralbank die Zinsen nun längere Zeit unverändert lassen wird.

„Die Gefahr einer deutlichen Abkühlung besteht“, sagt der Chefvolkswirt der Peking First Advisory Bank, Dong Xian. Er erwartet für das vierte Quartal nur noch ein Plus von 8,6Prozent. Der Schweizer Vermögensverwalter Felix Zulauf erklärte kürzlich im Gespräch mit der „Presse“, dass er „schon bald mit einem Wachstum in China von nur noch fünf bis sechs Prozent rechnet“.

Die Aktienmärkte in Asien reagierten auf die aktuellen Konjunkturzahlen aus China enttäuscht. Der Hang-Seng-Index in Hongkong gab um 4,2Prozent nach, der Nikkei-225-Index in Tokio um 1,55Prozent. In Europa büßten Hersteller von Luxusartikeln ein, die erst kürzlich in China expandierten: Richemont verlor mehr als ein Prozent. Aktien von Dior, Burberry und Louis Vuitton gaben um rund zwei Prozent nach.

Die chinesische Führung war am Dienstag um Beruhigung bemüht: „Auch wenn sich das Wachstum etwas verlangsamt hat, so ist es doch stabil“, ließ die Regierung über einen Sprecher der staatlichen Statistikbehörde ausrichten. „Es ist wahrscheinlich, dass China auch in der nächsten Zeit sein recht schnelles Wirtschaftswachstum bewahren kann.“

Abhängigkeit von Exporten

Den Analysten bereiten allerdings nicht nur die Wachstumszahlen Sorgen, sondern auch die Entwicklung des Außenhandels. Im September exportierte China Waren und Dienstleistungen im Wert von 170Mrd. Dollar, die Importe beliefen sich auf 155Mrd. Dollar. Im Vergleich zu den Vormonaten gingen beide Werte zurück. Das schadet einerseits Chinas Wirtschaft – sie hängt zu 40Prozent von Exporten ab. Es trifft aber auch die Weltwirtschaft, die in den vergangenen Jahren von einem regen Handel mit der zweitgrößten Volkswirtschaft stark profitierte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2011)

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