Der Fluch der Ära Kreisky

Die SPÖ sollte sich von einem Dogma verabschieden. Wieder einmal. Die Realität spricht ohnehin gegen sie.

Die Jüngeren unter uns werden sich möglicherweise gar nicht mehr daran erinnern, dass die SPÖ tatsächlich einmal für die allgemeine Wehrpflicht war. Ähnlich radikal könnten die Sozialdemokraten nun mit einem anderen Dogma brechen: dem Nein zu Studiengebühren.

So wie sie den Fluch des 34er-Jahres, des Verbots ihrer Partei und des Bürgerkriegs, abgelegt haben, so könnten sie auch den Fluch der Ära Kreisky ablegen. Bisher galt in der SPÖ: Was dieser, die große Ikone der Bewegung, abgeschafft hat, das sollen seine Nachfolger nicht wieder einführen – das war und ist das unumstößliche Credo der Sozialdemokraten. Zumindest ihrer Führung und vieler Funktionäre.

Auch wenn die Realität längst eine andere ist. Diese sieht nämlich so aus, dass die Universitäten des Jahres 2011 unterfinanziert und überlaufen sind. Ohne Studienplatzbeschränkung und -lenkung sowie Studiengebühren mit einem angemessenen Stipendiensystem wird es nicht mehr gehen. Das ist mittlerweile auch prominenten Sozialdemokraten wie Gabi Burgstaller, Franz Voves und Hannes Androsch klar. Auch die öffentliche Meinung hat sich diesbezüglich längst gewandelt.

Einen – auch für die SPÖ – halbwegs eleganten Ausweg bietet hier der Spruch des Verfassungsgerichtshofs. Dieser hat bekanntlich den geltenden, vor der Nationalratswahl 2008 von Rot, Grün und Blau im Parlament gefassten Studiengebührenaufhebungsbeschluss wegen unpräziser Regelungen aufgehoben. Wird dieser von der Bundesregierung nicht renoviert, dann kann ab März jede Universität Gebühren in beliebiger Höhe einheben. Denn laut dem nun vom Dekan der Juristischen Fakultät der Uni Wien, Heinz Mayer, eingeholten Gutachten ist den Universitäten in ihrer verfassungsrechtlichen Sonderrolle alles erlaubt, was der Gesetzgeber nicht ausdrücklich verbietet.

Geschieht also nichts, kommen die Gebühren ohnehin. Vielleicht bewegt sich die SPÖ ja noch zuvor.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2011)

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