Sex-Vorwürfe gegen Heim: "Aufarbeitung notwendig"

Schloss Wilhelminenberg
Schloss Wilhelminenberg(c) REUTERS (Heinz-peter Bader)
  • Drucken

Stadtrat Oxonitsch erwartet eine "unangenehme und schmerzvolle" Untersuchung. Bis Ende der Woche soll die Kommission stehen, die die Vorwürfe gegen das Heim am Wilhelminenberg prüfen soll.

Die Vorwürfe lauten auf Serienvergewaltigungen und Kinderprostitution: Der zuständige Stadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) hält eine Aufarbeitung der Vorwürfe gegen Erzieher des ehemaligen Kinderheims Schloss Wilhelminenberg für "unangenehm und schmerzvoll, aber es ist notwendig". Bis Ende der Woche soll eine Kommission stehen, sagt Oxonitsch. Am vergangenen Wochenende sind zwei Schwestern, ehemalige Zöglinge des Heims, mit ihren Vorwürfen an die Öffentlichkeit gegangen.

Bei den Leitern der Kommission wird es sich um Juristen, also etwa ehemalige Richter oder Staatsanwälte handeln, wie die Magistratsabteilung 11 (Jugend und Familie) Anfang der Woche betont hatte. Das neue Gremium soll die jüngst erhobenen massiven Vorwürfe untersuchen.

Diese Anschuldigungen seien eine "neue Dimension", begründete Oxonitsch die Einrichtung einer eigenen Kommission. Dass es sexuelle Übergriffe und körperliche Misshandlungen in den - inzwischen nicht mehr existierenden - Wiener Großheimen gegeben hat, ist unterdessen schon länger bekannt. Dafür wurde bereits eine Historikerkommission eingerichtet. Und inzwischen werden Opfer auch entschädigt: Erste Zahlungen wurden 2010 geleistet.

Bericht sprach von "Kindergefängnissen"

Dass die Stadt einst zu langsam reagiert habe, glaubt Oxonitsch nicht. "Man kann 35 Jahre später alles anders beurteilen", befand Oxonitsch. Er erinnerte daran, dass die Diskussion damals letztendlich zur Schließung der großen Heime geführt habe. Ausschlaggebend sei hier etwa der damals publizierte Bericht "Verwaltete Kinder" der SP-Nationalratsabgeordneten Irmtraut Karlsson gewesen. Karlsson hat darin unter anderem von "Kindergefängnissen" gesprochen.

"Die Zustände damals waren schlimm", zeigte sich der Stadtrat überzeugt. Die sofortige Schließung aller Heime sei jedoch nicht möglich gewesen, auch aus organisatorischen Gründen. In Wien wurden - nach einer Reihe von Reformen - die letzten derartigen Einrichtungen im Jahr 2000 zugesperrt. Seither werden Kinder in Wohngesellschaften oder bei Pflegeeltern betreut.

Im Wiener Rathaus wird kommende Woche ein Sonderausschuss zu dem Thema stattfinden. Dort sollen die anderen Parteien über den Stand der Dinge informiert werden, kündigte Oxonitsch an. Auch Fragen an die Wilhelminenberg-Kommission sollen dort formuliert werden.

Schloss Wilhelminenberg

Erstmals wurde im 18. Jahrhundert ein Schloss auf dem Gelände in Wien-Ottakring errichtet, 1903 bis 1908 entstand der aktuelle Palais im Neoempirestil. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg diente das Schloss Wilhelminenberg als Lazarett, um nach dem Kriegsende in ein Heim umgewidmet zu werden. Von 1961 bis 1977 wurden hier Sonderschülerinnen untergebracht - in dieser Zeit sollen sich die Übergriffe ereignet haben. Heute ist in dem Gebäude das Vier-Sterne-Ressort "Austria Trend Hotel Schloss Wilhelminenberg" untergebracht. Mehr ...

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

MissbrauchsOpfer nach staatlicher Kommission
Wien

Missbrauchs-Opfer: Ruf nach staatlicher Kommission

Brigitte Lueger-Schuster, Klinische Psychologin an der Universität Wien, spricht mit der Presse über die Wichtigkeit einer staatlichen Kommission und die Folgestörungen bei Missbrauchsopfern.
Missbrauch ndash gezeichnet fuers
Österreich

Im Heim missbraucht: Gezeichnet fürs Leben

Geschlagen, getreten, ausgepeitscht: Franz Josef Stangl war ein Heimkind. Die grausamen Erfahrungen, die er dort gemacht hat, haben sein ganzes Leben verändert. Jetzt spricht er darüber - schonungslos und offen.
Missbrauchsvorwuerfe gegen Jugendheim Hartberg
Österreich

Missbrauchsvorwürfe gegen Jugendheim in Hartberg

Getreten, geschlagen und sexuell belästigt - ein früherer Zögling eines Jugendheimes in Hartberg erhebt schwere Vorwürfe gegen den Bürgermeister und Heimleiter Karl Pack. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Wien

Vom Horrorhaus zur Mustereinrichtung

Der "Lindenhof" der Stadt Wien im niederösterreichischen Eggenburg galt als härteste "Endstation" für schwierige Heimkinder. Heute bekommen Jugendliche dort die Chance auf eine Lehre.
Österreich

"Wir mussten wie die Marionetten funktionieren"

Es ist ein Rucksack voller Qualen, den man nie mehr los wird: Eine Salzburgerin erzählt der "Presse am Sonntag", wie das, was sie in 17 Jahren Heimunterbringung mitgemacht hat, bis heute ihr Leben überschattet.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.