PKK: "Öcalans Wort wiegt noch immer schwer"

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Türkei-Experte Cengiz Günay im "Presse"-Interview über den "Guerilla"-Kampf der PKK und ihre Führungsfigur Öcalan.

Die Presse: Die PKK hat mit ihren Militäraktionen seit 1984 die Kurden nicht näher an eine Autonomie gebracht. Was bezweckt sie also mit solchen Angriffen?

Cengiz Günay: Diese Eskalation ist auch ein Anzeichen dafür, dass es innerhalb der PKK unterschiedliche Strömungen, und Interessen gibt. Die Türkei befindet sich derzeit in einem Prozess, wo so ernst wie noch nie über eine Umstrukturierung nachgedacht wird: Es soll eine neue Verfassung geben, und es wird in dem Zusammenhang ohne Tabus über das Kurdenproblem diskutiert.

Teile innerhalb der PKK haben aber gar kein Interesse, dass es zu einer Lösung im Rahmen der Verfassung kommt, denn das könnte ihren Daseinszwecke als Guerilla in Frage stellen. Der Angriff ist also ein deutliches Lebenszeichen: Wir sind da, und ohne uns ist dieses Problem nicht zu lösen. Was insofern natürlich nicht stimmt, weil jede Eskalation eine friedliche Lösung behindert.

Die Regierung hat vor einiger Zeit Gespräche mit PKK-Chef Öcalan begonnen. War das umsonst? Und kann dieser Kanal jetzt überhaupt noch weiterverfolgt werden?

Der Staat ist schon seit längerem im Austausch mit Öcalan und der PKK gestanden, das hat auch die Regierung im Nachhinein zugeben müssen. Sie hat es mit dem Argument verteidigt, dass das notwendig sei, um eine Lösung zu finden. Öcalan ist nach wie vor eine Führungsfigur für die kurdische Bewegung und verfügt weiter über eine gewisse Autorität, wobei die nicht immer konkret festzumachen ist. Es ist wohl nicht so, dass er in der Zelle sozusagen auf einen Knopf drückt, und dann hören die zu kämpfen auf. Aber sein Wort wiegt noch immer schwer.

Wer hat bei der PKK jetzt eigentlich das Sagen?

Es gibt einerseits die Guerilla, die von den Bergen aus operiert, und isoliert wie eine militärische Einheit agiert. Daneben gibt es die städtische Organisation, die verantwortlich ist für Bombenanschläge. Sie operiert im urbanen Raum durch Zellen und versucht, den Konflikt in türkische Großstädte zu tragen. Es gibt also keine einheitliche Struktur, und auch keine Führungsfigur, die sich mit Öcalan messen könnte. Die PKK wurde von ihm auch sehr autoritär als stalinistisch-marxistische Organisation geführt. Dissidenten hat er brutal verfolgt.

Was hat sich unter Premier Erdogans Regierung tatsächlich verbessert für Kurden?

Die Türkei hat sich in den letzten zehn Jahren weit bewegt, wenn auch noch nicht weit genug. Vor allem im Zuge des EU-Reformprozesses wurden viele Liberalisierungen eingeleitet: Das Sprachverbot wurde aufgehoben, es gibt kurdische Medien, das war bis vor kurzer Zeit noch undenkbar. Auch bei Wahlveranstaltungen darf jetzt kurdisch gesprochen werden. Früher wurden Leute wegen Missachtung solcher Verbote verurteilt, diese Prozesse haben jetzt aufgehört. Die große Forderung nach muttersprachlichem Unterricht wurde bisher aber nicht umgesetzt. Auf jeden Fall hat sich aber der Diskurs geändert: es wird über alles offen diskutiert

Gleichzeitig gehen aber die Sicherheitskräfte im Südosten anscheinend mit unverminderter Härte vor.

Der Kurdenkonflikt behindert sehr stark das Fortkommen des Landes, das sieht auch das Establishment mittlerweile so. Es gibt auch unter den Parteien einen Konsens, dass man den Konflikt nicht allein durch militärische Aktionen lösen kann. Es ist auch der Wille da, das Problem anzugehen. Nur gibt es eben diese angelernten Muster, dass auf Anschläge und Angriffe mit Gewalt reagiert wird, weil jedes andere Handeln als Zeichen der Schwäche gesehen werden könnte. Es fehlt an Konzepten, wie man diese Muster durchbrechen kann.

Zur Person: Cengiz Günay ist Türkei-Experte am Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP).

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