„Machen wir Seife aus Zigeunern“

Vor bulgarischen Präsidentenwahlen brodelt die Stimmung. Hooligans und Roma bekämpfen sich – ein politischer Stellvertreterkrieg?

Am 23.September brannten 160Kilometer südöstlich von Sofia im Dorf „Katunitza“ die drei Häuser von Kiril Raschkov, alias „Zar Kiro“. Er hatte dem 19-jährigen Angel Petrov kurz zuvor mit Mord gedroht. Kurz danach war Petrov tot, von einem Kleinbus überfahren, verstorben am Unfallort. Am Lenkrad saßen „Zar Kiros“ Schergen.

Die Wut der Dorfbewohner brauchte ein Ventil, Häuser von Roma gingen in Flammen auf. Die Parolen dazu lieferte die rechtsextreme bulgarische Partei „Ataka“ (Attacke, Angriff). Der Ruf nach Wiedereinführung der Todesstrafe für „Roma-Kriminalität“ und Slogans wie „Machen wir Seife aus den Zigeunern“ gehören zum Programm dieser Partei.

Der Fall „Raschkov“ ist für „Ataka“ ein Beweis für die genetische Veranlagung der Roma zur Kriminalität. Tatsächlich aber ist Kiril Raschkov ein Beweis dafür, wie korrupt das ganze Land ist. Raschkov gilt inoffiziell als großer Gönner von Beamten und Polizisten. Schmuggelgeschäfte und Alkoholhandel haben ihn zu einem der reichsten Männer Bulgariens gemacht. Jetzt sitzt er wieder hinter Gittern – wegen angeblicher Veruntreuung von Steuergeldern.

Ministerpräsident Bojko Borissow stellt sich taub und blind. Die rechtsradikale „Ataka“ unterstützt den Chef der rechtskonservativen „Gerb“ (Partei der Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) und hält die bestehende Minderheitsregierung in Sofia mit ihren Mandaten stabil.

„Freie Bahn für die Nazis“

Orhan Tahir, in Sofia lebender Aktivist, Jurist und Angehöriger der Roma-Minderheit, findet klare Worte: „Das ganze Land hat in den Nachrichten gesehen, wie die Polizei tatenlos herumsteht, während Roma-Dörfer niedergebrannt werden. Die Nazis haben freie Bahn. Wir sind praktisch vogelfrei.“ Tahir hat Angst vor dem kommenden Sonntag, an dem Bulgariens Präsident gewählt wird: „Der 23.Oktober wird der neue Höhepunkt der Gewalt. Bestimmte Parteien werden versuchen, sich die Stimmen der 600.000 Roma zu erzwingen.“

Der Jurist hat die in Wien ansässige Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) informiert und um 500 internationale Wahlbeobachter gebeten – vergeblich. „Es ist eine Farce. Die OSZE wird nur 20 Wahlbeobachter schicken – viel zu wenige, um Wahlbetrug zu verhindern.“

Tahir wollte nicht aufgeben und lud Roma aus dem ganzen Land ein, sich als Wahlbeobachter ausbilden zu lassen. „Die Roma sollen vorbereitet sein, nicht länger die Rolle von Opfern einnehmen. Wir müssen aktiv werden, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, politisch partizipieren“, erklärt er. Er will weiter kämpfen.

Gibt es Hoffnung? Das Recht auf Bildung, Arbeit oder Warmwasser wird Bulgariens Roma verwehrt. Fördergelder der EU versickern seit Jahren in Korruptionssümpfen. Die Integration der Roma ist angeblich gescheitert. Aber wie kann etwas scheitern, das nie ernsthaft angegangen wurde?

Die Wahlen gebären ihre blutigen Vorboten auf dem Rücken der Roma. Das Wahlergebnis könnte sie auch noch den Kopf kosten.

Gilda-Nancy Horvath ist Journalistin der ORF-Volksgruppenredaktion und Obfrau des Vereins „Lovara-Roma Österreich“. Das von ihr verfasste Theaterstück über Roma in Ungarn („Gipsy Stop Dancing“) feiert am 27.Oktober im Wiener Kabelwerk Premiere.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2011)

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