Fekters Warnung vor der „Vollbremsung“ und Sehnsucht nach Josef Pröll

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Fekter verteidigt den Weg der "Konsolidierung" für 2012. Damit konnte sie aber nicht einmal die SPÖ begeistern. Mancher Oppositionsabgeordnete wird indes von der Sehnsucht nach Fekters Amtsvorgänge übermannt.

Wien. Sie ist als erstes Regierungsmitglied auf ihrem Platz, ihre Handtasche hat Maria Fekter (ÖVP) vorerst auf die Regierungsbank gelegt. Handschriftlich fügt die Dame im grauen Blazer mit orangefarbenem Halstuch noch etwas im Manuskript für ihre erste Budgetrede hinzu. Ihre frühere ÖVP-Klubkollegin Ulrike Baumgartner-Gabitzer muntert Fekter von der Besucherloge aus mit hochgestrecktem Daumen auf.

Die Finanzministerin greift am Mittwoch um neun Uhr Früh vor ihrem Auftritt gleich mehrmals zum bereitgestellten Wasserglas. Die sonst so impulsive ÖVP-Politikerin aus Oberösterreich, die sich notfalls auch im Dialekt kein Blatt vor den Mund nimmt, verliest dann mechanisch die ersten Seiten. „Wir haben ein stabiles Budget geplant!“ Trotz des prognostizierten Konjunktureinbruchs halte Österreich damit den „Konsolidierungspfad“, drechselt sie.

Nur einmal kommt vor allem in den Reihen der FPÖ Leben ins Plenum, als Fekter auf die einschneidenden Sparmaßnahmen in vielen EU-Ländern verweist und ergänzt: „Diese Maßnahmen werden linke wie rechte Populisten auf den Plan rufen.“ Der einzige Farbtupfer auf der voll besetzten Regierungsbank in staatstragendem Schwarz-Grau ist das knallrote Kostüm von Verkehrsministerin Doris Bures.

„Wir sind der Krise noch nicht entwischt“

Nach einer Viertelstunde trommelt der in der Mittelloge sitzende Bundespräsident Heinz Fischer ungeduldig mit den Fingern auf die Balustrade. „Das ist ja fader als ein Parteiprogramm“, tönt es der Finanzministerin aus den Oppositionsbänken entgegen. Fekter hält monoton Kurs: „Wir bauen unsere Defizite schneller ab als geplant, jedoch wollen wir keine Vollbremsung, denn das blockiert die Räder des Konjunkturmotors.“ Und wenig später: „Wir sind der Krise noch nicht entwischt.“

Die Finanzministerin verteidigt damit den Umstand, dass im Budget 2012 bloß die von SPÖ und ÖVP schon für heuer beschlossenen Einsparungen etwa bei den Pensionen fortgesetzt werden. Als Fekter dann zum x-ten Mal das Wort Loipersdorf in den Mund nimmt, wo die Regierung im Oktober 2010 in einer Klausur das weiterhin geltende Spar- und Belastungspaket geschnürt hat, machen sich etliche Oppositionsabgeordnete darüber nur mehr lustig. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) verfolgt auf dem Präsidentensitz hinter Fekter mit zunehmend grimmigerer Miene das anschwellende Gemurmel im Saal, in dem die Worte der unbeirrt weiterlesenden Finanzministerin fast untergehen.

Bei Uni-Gebühren Nadelstich gegen die SPÖ

Die Abgeordneten in den Reihen des Koalitionspartners haben bis dahin nur ganz vereinzelt Applaus gespendet. Dann folgt sogar ein bewusster verbaler Nadelstich Fekters in Richtung SPÖ, als es um Universitäten und Wissenschaften geht. Die Einführung sozial gestaffelter und in der Höhe vertretbarer Studienbeiträge sei gerecht, daran werde kein Weg vorbeiführen. Während die Kanzlerpartei den Studiengebühren am Vortag gerade erst wieder eine Absage erteilt hat, setzt die ÖVP-Ministerin noch eins drauf: „Ich bin zuversichtlich, wir werden zu einer konsensualen Lösung kommen.“ Diesmal ist der sonst ebenfalls eher verhaltene Applaus aus den ÖVP-Reihen lauter. Den heimst Fekter nach einer guten halben Stunde erstmals stärker von der SPÖ ein, als sie hervorstreicht, dass für Kinder durch den Ausbau der Neuen Mittelschule und der Ganztagsbetreuung mehr Geld bereitgestellt wird.

„Die Reichen“ sind auch zu Gast

Von den Sitzen reißt die Finanzministerin dann nicht einmal ihre ÖVP-Kollegen im Rest der eineinhalbstündigen Vorlesung. Mancher Oppositionsabgeordnete wird da von der Sehnsucht nach Fekters Amtsvorgänger im Finanzressort, Josef Pröll (ÖVP), übermannt. Der ist heuer im Frühjahr aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Jetzt sind im Plenum vereinzelt sogar Rufe nach Pröll zu hören. Die grüne Klubobfrau Eva Glawischnig hat gelangweilt ihren Platz verlassen, BZÖ-Chef Josef Bucher ebenso.

Fekter strebt unbeirrt dem Ende ihres Vortrags entgegen. Dafür hat sie sich die für Österreicher erfreulichsten Passagen über eine Abgaben-Entlastung aufgehoben. Zuvor räumt sie offen ein, „dass Österreich ein Hochsteuerland ist“. Jetzt kommt in die inzwischen verstummten Reihen der blau-grün-orangen Opposition auch noch einmal neues Leben. „Und bei der Vermögenssteuer?“, ruft der Grünen-Abgeordnete Karl Öllinger dazwischen. „Es ist höchst an der Zeit, den Mittelstand zu entlasten“, lautet die Antwort und die Botschaft der Finanzministerin auch an jene ORF-Zuschauer, die den Auftritt live mitverfolgen. 70Prozent der Steuereinnahmen würden von „nur 20Prozent der Bevölkerung“ erbracht. Die „Reichen“, 1,2Prozent der Bevölkerung, würden immerhin 16Prozent bestreiten.

Aber bei Entlastungen werden alle durch Fekter auf eine Steuerreform und das kommende Jahr vertröstet. Österreich brauche ein Steuersystem und eine Steuerstruktur, „damit jeder Mensch selbst Regie in seinem Leben führen kann“, schließt Fekter und fügt noch hinzu, „damit ihm mehr im Geldbörsel bleibt“. Höflicher Applaus von der ÖVP. Bei der SPÖ rührt sich kaum eine Hand.

Regierungs- und SPÖ-Chef Werner Faymann war zuvor nach dem Beschluss des Budgetvoranschlags für 2012 im Ministerrat noch viel mehr Gentleman gewesen. Der Kanzler lobte Fekters erstes Budget sogar als Vorbild für die gesamte Europäische Union. Vizekanzler ÖVP-Obmann Michael Spindelegger hält es offenbar für notwendig, das „vorbildhafte“ Klima bei den Budgetverhandlungen angesichts sonstiger gegenseitiger Blockaden in der Koalition – von den Studiengebühren bis zur Abschaffung der Wehrpflicht – hervorzustreichen.

Grüne nehmen Faymann in die Zwickmühle

Die Parlamentarier haben da schon ganz andere Sorgen. Sie haben noch eine überaus umfangreiche Tagesordnung vor sich – von zusätzlichem Geld für die Kinderbetreuung bis zum ersten Teil des Anti-Terror-Pakets.

Eine Dringliche Anfrage der Grünen an Bundeskanzler Faymann zu Bildung und Universitäten ist überdies noch dazugekommen. Die Behandlung der von den Grünen gestellten 17Detailfragen wird gemäß Geschäftsordnung ab 15Uhr eingeschoben. Für die Grünen ist das nach Fekter zum zweiten Mal an diesem Tag die Gelegenheit, im Zusammenhang mit dem Streit um Studiengebühren Salz in die Wunden der Koalition zu streuen. Studiengebühren Seite 4

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2011)

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