Veit Sorger: "Werden uns in der nächsten Krise daran erinnern"

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Veit Sorger, der Präsident der Industriellenvereinigung, sieht im "Presse"-Gespräch keinen budgetären Spielraum mehr, das Pulver sei verschossen und kritisiert die hohen Metaller-Lohnabschlüsse äußerst scharf.

Die Presse: Was sagen Sie zur Budgetrede? Reicht Ihnen der Gestaltungswille?

Veit Sorger: Die Tendenz des Budgets ist positiv, immerhin kommen wir zu einem niedrigeren Defizit. Aber der Spielraum ist klein: Durch die hohen Zinszahlungen und Ausgaben für die Pensionen bleiben wenige Möglichkeiten für neue Maßnahmen. Nachdem auf der gesamten Pensions- und sonstigen Ausgabenseite leider nicht wirklich etwas passiert, sind keine großen Wunder zu erwarten. Schwierig wird das nächste Jahr, wenn die Konjunkturprognosen so eintreten sollten, wie sie uns vorausgesagt sind. Aber wirklich problematisch sind die Lohnabschlüsse bei den Angestellten der Metallbranche.

Warum? Die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft waren fast nur positiv.

Das verstehe ich nicht. Wir wollen ja, dass unsere Mitarbeiter an den Erfolgen unserer Unternehmen beteiligt sind. Aber dafür hätten wir Einmalzahlungen vorgeschlagen. Da wurde ein großer Rucksack geschnürt, den wir die nächsten Jahre mitschleppen müssen. Wir tun uns nichts Gutes für die Zukunft. Wir dürfen nicht vergessen, dass große Unternehmen in der Branche wie die Voestalpine auch noch Gewinn-Sonderzahlungen leisten – nicht nur an den Vorstand, sondern an alle Mitarbeiter.

Wie ist das zustande gekommen? Die Industriellenvereinigung ist durchaus einflussreich.

Das war alles – inklusive Streik – schon lange geplant. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Aber wir werden bei den nächsten krisenhaften Erscheinungen sicherlich an dieses Vorgehen denken. In den vergangenen Krisen haben zu 80 Prozent die Unternehmen die Kurzarbeit finanziert.

Wie gerüstet sind wir denn für die nächste Krise? Der Spielraum von staatlicher Seite war beim letzten Mal größer.

Es gibt gar keinen Spielraum mehr. Es wird für Konjunkturpakete keinen Spielraum geben. Das Pulver ist verschossen. Die Industrie findet ihre Wege, die Kosten anzupassen.

Das heißt doch geringere Löhne? Oder keine großen Lohnsteigerungen mehr.

Wenn unsere Exportquoten wegfallen, wird man überlegen müssen, wie man auf der Personalseite reagiert. Wir waren in den letzten zwei Jahren, in denen es uns gut gegangen ist, auch nicht untätig. Wir haben uns neue Märkte gesucht und sind mit höheren Risiken auch in exotischere Märkte gegangen.

Ein Argument bei den hohen Abschlüssen war die Kaufkraft-Stärkung.

Jetzt brechen wir das einmal herunter: Wenn ich die Löhne um 100 Euro erhöhe, bleiben für den österreichischen Konsum 36 Euro über. 64 Euro verliere ich an Steuern, an die Sparquote und an den Import. Ich habe also als österreichisches Unternehmen nichts davon.

Was sagen Sie denn zu den Vorschlägen der Sozialpartner für eine kleine Pensionsreform?

Im Endeffekt ist es zwar positiv, dass endlich erkannt wird, dass die Anzahl der Invaliditätspensionen zurückgefahren werden muss. Aber das notwendige Aussetzen der Hacklerregelung wurde nicht einmal angesprochen. Wir verstehen nicht, dass man vor 65 in Pension gehen kann und dafür manchmal noch belohnt wird. In Wahrheit müsste es so sein: Nur wer schwer krank ist, soll vor 65 gehen dürfen. Wer länger arbeitet, soll vom Steuerzahler dafür belohnt werden, dass er noch nicht in Pension geht. Wer früher gehen möchte, dann nur mit kräftigen Abschlägen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2011)

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