Ein Straßenbauer als künftiges Staatsoberhaupt

(c) AP (Valentina Petrova)
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Der 47-jährige Regierungskandidat und bisherige Infrastrukturminister Rossen Plewneliew hat die besten Chancen auf das Amt des Staatspräsidenten. Gewählt wird er vermutlich erst in der zweiten Wahlrunde.

Wien/Sofia. „Die Baumeister des zeitgenössischen Bulgariens" nennt sich das bekannte Historienbuch des Publizisten Simeon Radew, das die ersten Schritte des modernen Bulgarien nach der Unabhängigkeit 1879 beschreibt. Ein Baumeister ist Rossen Plewneliew bereits; nun hat er die besten Chancen, auch als Staatsmann in die Annalen einzugehen. Plewneliew, bis vor Kurzem noch Minister für Regionalentwicklung, ist Kandidat der Regierungspartei Gerb für das Präsidentenamt. Der jetzige Amtsinhaber, Georgi Parwanow, darf nicht mehr antreten; Plewneliews Sieg - wenn nicht diesen Sonntag, dann bei der Stichwahl eine Woche später - gilt als so gut wie sicher.


Der 47-Jährige präsentiert sich wie sein bulliger Ex-Chef - Ministerpräsident Bojko Borissow - gern als Macher. Vor seinem Eintritt in die Politik war er als Bauunternehmer aktiv. Mit seiner Firma „Iris International", gegründet 1990, verschickte er bulgarische Arbeiter auf deutsche Baustellen - und kam auf diese Weise mit dem Baukonzern Lindner ins Geschäft, der bei Plewnewliews Unternehmen einstieg. Als Lindner seinen großflächigen „Business Park" in Sofia errichtete, wurde Plewneliew dessen Geschäftsführer. „Ich lernte, ich lebte, ich hatte Erfolg", beschrieb der gelernte Computeringenieur, der aus der abgelegenen Gebirgsstadt Goze Deltschew stammt, einmal seinen bisherigen Lebensweg.


Als Minister für Regionalentwicklung hatte Plewneliew die höchsten Popularitätswerte eines Regierungsmitglieds, machte er doch die Verbesserung der veralteten Infrastruktur, und vor allem das Sorgenkind Autobahnen, zu seiner Priorität. Unter Plewneliew wurden die jahrelangen Bauarbeiten der nur 19 Kilometer langen Ljulin-Autobahn rund um Sofia beendet; die Sofia mit der Schwarzmeerstadt Burgas verbindende Trakija-Autobahn soll nächstes Jahr fertig sein. Im Helikopter inspizierte Plewneliew medienwirksam den Baufortschritt. Bis 2020 soll Bulgarien sieben Autobahnen haben, hat er versprochen. Die Betreuung dieses ambitionierten Projekts musste Plewneliew nun an seine erst 33-jährige Nachfolgerin Liljana Pawlowa abgeben.

Mit 170 km/h nach Wien

Plewneliew mag als künftiges Staatsoberhaupt vor allem auf dem internationalen Parkett jung und unerfahren wirken. Eine seiner Kontrahentinnen ist Meglena Kunewa, frühere EU-Kommissarin für Verbraucherschutz; der momentan Zweitplatzierte ist der sozialistische Kandidat und Europaparlamentarier Iwajlo Kalfin. Doch als Politiker ist Plewneliew flexibel und schnell unterwegs. Dies ist ihm einmal beinahe zum Verhängnis geworden: Noch als Transportminister behauptete er, 2014 werde man mit dem Auto von Sofia nach Wien nur noch sechs Stunden benötigen. Plewneliew wäre somit, rechneten Journalisten nach, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 170 km/h unterwegs - viel zu schnell für einen Baumeister des zeitgenössischen Bulgariens.

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