Libyen: Tod eines Diktators

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In seiner Heimatstadt Sirte endete die Flucht Gaddafis.

Das Handyfoto war der erste Beweis. Die Haut leichenblass, die Augenlider halb offen, das Hemd zerfetzt. Blutströme laufen über das Gesicht mit der charakteristischen breiten Nase und den schwarzen wirren Haaren.

Acht Wochen nach der Flucht aus seiner Festung Bab al-Azizia in der libyschen Hauptstadt Tripolis hat Muammar al-Gaddafi am Donnerstag sein Schicksal ereilt. Donnerstagnachmittag erklärte der Sprecher des Nationalen Übergangsrats, Abdel Hafez Ghoga, Gaddafi sei nicht mehr am Leben. „Wir verkünden der Welt, dass Gaddafi in den Händen der Revolution gestorben ist", sagte er triumphierend. „Das ist das Ende der Tyrannei in Libyen."

Wie der Diktator gestorben ist, war anfangs unklar. Gaddafi hat bis zuletzt in der von den Rebellen belagerten Stadt Sirte ausgehalten. Am Donnerstag wollte er mit einem Konvoi fliehen. Durch die Nato-Überwachung blieb dies jedoch nicht unbemerkt und französische Kampfflugzeuge stoppten den Konvoi. Wie Premierminister Mahmoud Jibril am Abend erklärte, habe sich Gaddafi dann in einem großen Abflussrohr versteckt. Bei dem Unterschlupf könnte es sich um einen Ausläufer des sogenannten „Großen künstlichen Flusses" gehandelt haben: Das weltgrößte unterirdische Bewässerungssystem, das Gaddafi in den 1980er-Jahren anlegen ließ und das Libyens Küstenstädte im Norden mit dem Landesinneren verbindet, soll von dem Diktator bei seiner Flucht aus Tripolis Ende August benützt worden sein.

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Aufständische dürften sich als Kriegstrophäe Gaddafis Goldene Pistole geschnappt haben. Bilder zeigen feiernde Kämpfer, die eine goldene Pistole hochhalten.

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Saif al-Islam getötet

Neben dem Diktator wurde laut Angaben des libyschen Fernsehens auch sein Sohn Saif al-Islam, der einen besonderen Bezug zu Österreich gehabt hatte, getötet. Bestätigt wurde auch der Tod eines weiteren Sohnes, Motassim. Zudem sollen laut al-Jazeera Gaddafis Militärchef Abu Bakr Yunus Jabr und Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi getötet worden sein.

In ganz Libyen feierten die Menschen mit Hupkonzerten, Freudenschüssen und „Allah ist groß!"-Rufen. Aus Autoradios dröhnte die Hymne der Aufständischen, vor dem Gerichtsgebäude an der Corniche von Bengasi, lange Zeit das Hauptquartier der Rebellen, fielen sich die Menschen in einem Meer von rot-grün-schwarzen Rebellenfahnen in die Arme.

Endlich ist für sie der Bürgerkrieg vorbei. Endlich kann Libyen in eine neue Zukunft gehen. Endlich ist nach acht Monaten erbitterten Kampfes der Sturz des verhassten Regimes vollendet. Denn nach dem Fall von Gaddafis Geburtsstadt Sirte dürfte der letzte Widerstand der Regimetruppen in der Wüstenstadt Bani Walid in den nächsten Stunden ebenfalls zusammenbrechen. Und dann ist der Nationale Übergangsrat zum ersten Mal Herr im ganzen Land.

Flucht vor dem Volk

Seit dem 21. August befand sich der Diktator auf der Flucht vor seinem Volk, nachdem die Rebellen sein Hauptquartier in Tripolis erobert hatten. Immer wieder meldete er sich fortan über den syrisch-irakischen Satellitensender Arrai mit heftigen Attacken zu Wort. Wochenlang kursierten die wildesten Gerüchte über seinen Aufenthalt. So wurde der Despot im Niger vermutet, dann wieder in der Oasenstadt Bani Walid oder auch nahe der Wüstenstadt Ghadames im Dreiländereck zwischen Libyen, Tunesien und Algerien. Als weitere mögliche Fluchtorte wurden Simbabwe, Algerien und Venezuela genannt.
42 Jahre lang stand Gaddafi an der Spitze der „Großen sozialistischen libysch-arabischen Volksrepublik" - und war damit der dienstälteste Potentat der ganzen Welt.

Geboren wurde der Despot im September 1942 nahe der Küstenstadt Sirte. Er entstammte einer Beduinenfamilie und wuchs als jüngstes von vier Kindern in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater kämpfte gegen die italienische Kolonialarmee und saß dafür in Haft. Als der 27-jährige Oberst am 1. September 1969 gegen König Idris I. putschte, herrschten in China Mao Tse-tung, Leonid Breschnjew in der Sowjetunion und Kim il-Sung in Nordkorea. Nun ist auch die Ära Gaddafi endgültig vorbei.

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