Ex-Richterchefin leitet Soko Wilhelminenberg

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Die Kommission unter der Leitung von Barbara Helige soll die Vorwürfe von Vergewaltigungen und Prostitution im ehemaligen Kinderheim Wilhelminenberg aufarbeiten.

Wien/Stu. Unter Blitzlichtgewitter und vor zahlreichen TV-Kameras präsentierte Jugendstadtrat Christian Oxonitsch am Freitag die Leiterin jener neuen Untersuchungskommission, die den schweren Vorwürfen gegen das ehemalige Kinderheim im Schloss Wilhelminenberg nachgehen soll. Dort soll es, wie zwei ehemalige Heimkinder erklärten, Massenvergewaltigungen und Kinderprostitution gegeben haben – bis das Heim 1977 schloss.

Die Leiterin der Kommission, die sich mit den Vorfällen am Wilhelminenberg beschäftigt, ist in Justizkreisen prominent und auch hoch angesehen. Barbara Helige, die ehemalige Präsidentin der Richtervereinigung, wird die Kommission Wilhelminenberg leiten. Sie wird unabhängig von jener Historikerkommission arbeiten, die bei der Universität Wien angesiedelt ist und generell die Situation in den Wiener Heimen seit dem Krieg untersucht.

„Aufklären und Verantwortliche finden“

„Ich war erschüttert von den Vorwürfen“, erklärte Helige, die auch in der Liga für Menschenrechte engagiert ist: „Einer meiner ersten Gedanken war, dass das Ganze genau untersucht werden muss.“ Denn es wäre verheerend, jetzt, wo die Dämme brechen und immer mehr Menschen die Kraft fänden, über ihre Erlebnisse zu berichten, nicht zu reagieren. Fest steht für Helige bisher, dass hier Kinder einer starken Institution ohnmächtig ausgeliefert gewesen sind: „Wir wollen wissen, was passiert ist und auch die Verantwortlichen finden.“

Jugendstadtrat Oxonitsch erklärte, dass Helige völlig freie Hand für die Untersuchungen bekommen hat. „Das war eine Grundvoraussetzung“, erklärte die Juristin. Die Kommission wird aus „vier bis fünf“ Mitgliedern bestehen. Wer das ist, ist noch offen, denn Helige muss sich ihre Mitstreiter noch aussuchen: „Denn ich weiß erst seit wenigen Stunden, dass ich diese Kommission leiten werde.“ Es sollen aber Experten aus den verschiedensten Fachgebieten sein.

Wie lange die Untersuchung dauern wird, konnte Helige nicht sagen: „Das wäre unseriös.“ Die Ergebnisse der Untersuchung sollen aber veröffentlicht werden. In welcher Form, ist noch nicht fix.

Fest steht, dass die Menschenrechtsexpertin auch Zugang zu sämtlichen Akten bekommen wird – was Helige ebenfalls als Grundvoraussetzung vorgegeben hatte. Etwas, das zum Teil schwierig ist. Denn manche Akten würden nach dieser langen Zeit nicht mehr existieren, so Oxonitsch, der aber „volle Transparenz“ bei der Aufklärung der Geschichte des Heimes am Wilhelminenberg versprach. Dabei stellte der Jugendstadtrat klar, dass der Ansprechpartner für Opfer bezüglich Entschädigungszahlungen und Therapiemöglichkeiten weiterhin der Weiße Ring sei, während die Wilhelminenberg-Kommission für die Aufarbeitung der Vorwürfe zuständig sei.

Die Ernennung von Helige zur Kommissionsleiterin sorgte für unterschiedliche Reaktionen. FP-Klubobmann Johann Gudenus: „Helige fiel bisher hauptsächlich dadurch auf, dass sie die Richtervereinigung als straffe SPÖ-Parteiorganisation ausrichtete, und als rote Justizministerin im Gespräch war.“ Dagegen begrüßte VP-Klubobmann Fritz Aichinger die Bestellung. Helige habe sich in der Vergangenheit als Vorsitzende der österreichischen Richtervereinigung und als nunmehrige Präsidentin der Liga für Menschenrechte einen respektablen Ruf erarbeitet. Nun müsse sie für eine objektive und lückenlose Aufklärung sorgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2011)

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