Die Opposition sucht die Verantwortung für die Missbrauchsfälle in Wiener Kinderheimen im Rathaus. Die SPÖ weist diese Vorwürfe freilich zurück. Die Grünen begrüßen die Einrichtung einer unabhängigen Kommission.
Wien/Ag./Cim. Die Missbrauchsfälle in Wiener Kinderheimen sorgen im Gemeinderat für ungewohnte Eintracht. Aufklärung und Aufarbeitung fordern die Parteien unisono. Auf der Suche nach der politischen Verantwortung gehen Stadtregierung und Opposition aber getrennte Wege.
„Das Heim des Grauens ist ein Riesenskandal der Wiener Sozialisten“, sagt FP-Klubchef Johann Gudenus am Freitag in der Aktuellen Stunde des Gemeinderates. Er schlägt vor, zu prüfen, ob nicht Delikte wie Mord, Sklaverei oder sexueller Missbrauch vorliegen würden. Außerdem müsse man sicherstellen, dass solche Delikte in Zukunft nicht mehr verjähren könnten. Auch VP-Gemeinderat Wolfgang Ulm zeigt sich überzeugt, dass die Stadt eine Schuld treffe. Beide verweisen auf den Bericht aus den 1970er-Jahren („Verwaltete Kinder“) und aktuelle Aussagen der früheren SPÖ-Mandatarin Irmtraud Karlsson. Diese habe auf die Trägheit des Systemes verwiesen; „dafür ist die Politik verantwortlich“, so Ulm.
Die SPÖ wies diese Vorwürfe freilich zurück. Der Karlsson-Bericht wurde 1974 verfasst, 1977 wurde das Heim am Willhelminenberg geschlossen.
Grüne für unabhängige Kommission
Die Grünen begrüßen, dass eine unabhängige Kommission die Vorfälle am Willhelminenberg aufklären soll. Sie sprechen sich für unabhängige Experten und gegen den FP-Vorschlag aus, Vertreter der Parteien in diese Kommission zu setzen.
Nicht der einzige Streit zwischen Blau und Grün am Freitag. Am Rande der Debatte erwähnten die Grünen, die FPÖ hätte sich einst für „Jugendstraflager“, so genannte „Bootcamps“, eingesetzt. Die FPÖ wies das als „Unwahrheit“ zurück. Tatsächlich hatte es 2008 eine Debatte um sogenannte Erziehungscamps für kriminelle Jugendliche gegeben. Der entsprechende Vorschlag war damals allerdings von der ÖVP gekommen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2011)