Blaulichtorganisationen: Funk mit Verbindungsproblemen

Blaulichtorganisationen Funk Verbindungsproblemen
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Seit 2004 arbeitet man in Österreich am Aufbau eines digitalen Funknetzes für die Blaulichtorganisationen. Das System ist technisch ein Meilenstein, droht aber in Skandalen und Scheinskandalen unterzugehen.

Wolfgang Müller geht es derzeit nicht sonderlich gut. „Wenn man mit Herzblut an so etwas dranhängt, dann tut das schon weh“, sagt der 47-Jährige, und sieht dabei leicht säuerlich aus. „Alle sagen, das ist gut und wichtig, und dann kommt diese Diskussion...“ Mehr muss er nicht sagen, sein Gesicht spricht Bände.

Wolfgang Müller leitet die Abteilung IV/8 des Innenministeriums und ist damit für den „Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, BOS, Austria“ zuständig. Besser kennt man das Wortungetüm unter dem Namen „Blaulichtfunk“, wirklich bekannt wird es aber erst, wenn man die Schlagwörter „Mensdorff-Pouilly“, „Strasser“, „Korruption“ und „Bestechung“ hinzufügt. Und deswegen geht es Wolfgang Müller zurzeit nicht sonderlich gut.

Nicht, weil der Beamte in die Causa verwickelt wäre, sondern, weil „diese Diskussion“ sein Herzensanliegen in ein sehr schiefes Licht rückt: die Einführung eines einheitlichen Funksystems in Österreich, mit dem jeder Polizist, Feuerwehrmann, Sanitäter, jeder Arzt, Rettungspilot und Bergretter in jedem Bundesland mit dem anderen reden kann.

Spricht man mit jenen in Wien, Niederösterreich und Tirol, die den Funk tagtäglich in der Praxis verwenden, dann bekommt man begeisterte Rückmeldungen. Spricht man mit jenen, die den Ausbau finanzieren müssen – also mit den Landespolitikern –, dann sind die Rückmeldungen weniger begeistert. „Hätte es den Skandal mit den Gerüchten um Korruption bei der Auftragsvergabe schon vor ein paar Jahren gegeben“, meint einer, „dann wäre das Projekt politisch tot.“ Mittlerweile sei der Ausbau aber so weit fortgeschritten, dass es kein Zurück gebe.


Salzburg, Kärnten stoppen Ausbau. Dennoch hat Salzburg die Planungen vorerst eingestellt, ebenso Kärnten. Man wolle das Ergebnis einer Rechnungshof-Prüfung abwarten, die die Innenministerin Ende August in Auftrag gab. Der RH soll untersuchen, ob es bei der Neuvergabe 2004 zum Aufbau des Digitalfunks zu Unregelmäßigkeiten kam. Grund für die Mutmaßungen sind unter anderem Zahlungen, die der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly von Motorola erhalten haben soll, das nun gemeinsam mit Alcatel als „Tetron“ die Funktechnik aufbaut.

Doch tatsächlich gab es im Jahr 2003 technisch gute Gründe, die Arbeiten an dem digitalen Funknetz durch das damalige Konsortium „Mastertalk“ (Siemens, Wiener Stadtwerke, RZB, Verbund) stoppen zu lassen. Als das Unternehmen erste Gebiete im Norden und Nordosten Niederösterreichs als erschlossen übergab, zeigten Tests unter notarieller Aufsicht – nichts. „Die Verbindungen funktionierten schlicht nicht“, berichtet ein Beamter (Siemens als Vertreter des damaligen Konsortiums wollte nicht Stellung nehmen).

Außerdem hielt sich das Interesse der einzelnen Rettungsorganisationen an einer Teilnahme in Grenzen: Die hätten nämlich laut damaligem Vertrag jährlich 1000 Euro pro Funkgerät an Betriebskosten bezahlen müssen. Und das können sich die meisten freiwilligen Feuerwehren nicht leisten.

Das Ministerium löste den Vertrag, musste aber 30 Millionen Euro an das Konsortium bezahlen. Das sei „recht gut“ gewesen, glaubt man im Innenressort, weil Mastertalk auf 181 Millionen Euro klagen wollte. Außerdem habe man Infrastruktur von „beträchtlichem Wert“ erhalten. Die konnte man großteils für das neue System nützen.

Und dieses System sei ein „Meilenstein“, sagt Franz Schuster vom Land Niederösterreich. Bernd Noggler vom Katastrophenschutz in Tirol spricht von einem „Quantensprung“.

Im westlichen Bundesland hat man die schlechten, alten Zeiten des analogen Funksystems noch gut in Erinnerung. Als 1999 eine Lawine das Ortszentrum von Galtür verschüttete und Dutzende Menschen begrub (38 starben), rückten Rettungsorganisationen aus ganz Österreich an. Nur konnten die bei dem Einsatz nicht miteinander kommunizieren, weil jede Einheit ihr eigenes Funknetz hatte.

Das soll der Digitalfunk ändern. Das System funktioniert ähnlich wie ein Handynetz. Ganz Österreich wird mit Sendemasten überzogen, die laut Vorgabe des Innenministeriums „alle besiedelten Gebiete und Verkehrsflächen“ mit einem Funksignal abdecken müssen. Die Kosten für den Aufbau des Netzes tragen die Bundesländer, das Ministerium bezahlt die technische Ausstattung und die Betriebskosten.

Die digitalen Funkgeräte sehen aus wie dicke Handys. Mit ihnen kann man nicht nur funken, sondern auch telefonieren. Jedes Gerät hat eine Kennung und ist – je nach Berechtigung – mit den Gruppennamen anderer Einheiten programmiert. Damit kann man in seiner Einheit funken, die Rettung oder Polizei eines bestimmten Bezirks anfunken (dank Netz von Wien aus beispielsweise auch das Rote Kreuz in Kufstein), man kann Nachrichten schicken, im Katastrophenfall können neue Funkgruppen für alle Einsatzkräfte gebildet werden, und je nach Ausstattung haben die Geräte ein GPS, das jederzeit die Position des Nutzers anzeigt oder per Knopfdruck ein Notfallsignal samt GPS-Daten ausschickt.

Explodierende Kosten. Warum auch nach sieben Jahren noch nicht alle Bundesländer den Digitalfunk haben, hat einen relativ einfachen Hintergrund: Die einzelnen Länder wissen nicht, wie teuer der Aufbau des Systems bei ihnen ist. In der Vergangenheit kam es zu enormen Kostensteigerungen zwischen dem, was geschätzt wurde, und dem, was am Ende bezahlt werden musste. Und die Schuld daran trägt indirekt das Land Tirol.

„Wir haben topografisch einen Vorteil“, sagt Noggler. Und dieser Vorteil sind die Berge, die man anfangs als großes Problem für ein flächendeckendes Funknetz gesehen hat. Doch schroffe Felswände reflektieren Signale, wie man jetzt weiß. Das Land benötigte für sein Netz 195 Sendemasten und zahlte dafür 12,5 Millionen Euro.

Also rechneten Firmen die Zahlen Tirols für andere Bundesländer einfach hoch. „Wir hatten keinerlei Erfahrung, welche Abdeckung die einzelnen Antennen bei welcher Topografie bringen“, erklärt Müller. In Niederösterreich glaubte man, mit 221 Standorten auszukommen. Weil sie leichter zugänglich und damit billiger zu bauen sind als in Tirol, budgetierte man nicht einmal zehn Millionen Euro für den Bau der Sendemasten (ohne Technik).

Doch Niederösterreich hat wenig Felsen, dafür viele Hügel, die riesige Funkschatten werfen. Bei der detaillierten Vermessung des Landes musste man die Zahl der benötigten Antennen ständig nach oben korrigieren, um die erforderliche Abdeckung zu erreichen. Am Ende musste man 374 Masten erreichten, die Kosten stiegen auf 30 Millionen Euro. Ähnlich in der Steiermark, das derzeit die Sendeanlagen aufbaut: Auch hier kletterten die Kosten auf 40Millionen Euro. Deshalb gibt es für die anderen Länder keine Schätzungen mehr, sondern Kommissionen, die erst die Bedingungen untersuchen.

Unter dem Strich wird die Länder das System billig kommen. Die jährlichen Betriebskosten im Endausbau von 40 Millionen Euro (etwa 330 Euro pro Funkgerät und Jahr) übernimmt das Innenministerium, die Länder müssen nur Strom und Wartung bezahlen. In Tirol sind das zwischen 300.000 und 400.000 Euro pro Jahr.

Bis das System steht, müssen sich die Polizisten und Feuerwehrleute in den Grenzgebieten zu den „digitalen“ Bundesländern Platz auf ihren Gürteln schaffen: Um im Notfall mit den „analogen“ Kollegen funken zu können, benötigen sie nämlich ein zweites, teilweise sogar ein drittes Funkgerät.

Langer Weg

2002 erhielt das Bieterkonsortium Mastertalk den Zuschlag zum Bau des digitalen Funknetzes „Adonis“ in Österreich. Die Fertigstellung war für 2005 geplant.

2003 wurden die Arbeiten gestoppt, das Ministerium gab unter anderem technische Probleme und Unklarheiten bei der Finanzierung an.

2004 wurde ein neues Konsortium (Tetron) mit den Arbeiten beauftragt. Bisher nützen Tirol, Wien und Niederösterreich das digitale Funknetz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2011)

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