Muammar al-Gaddafi und seine 9mm Browning – der libysche Diktator war offenbar von vergoldeten Waffen fasziniert.
Die Titelredaktion der „New York Post“ fühlte sich zu einer boulevardesken Höchstleistung angespornt. „Gaddafi von New York Yankees Fan getötet – Schütze landete mehr Treffer als A-Rod.“ A-Rod, so nannte man Alexander Emmanuel Rodríguez, einen der besten Baseballspieler seiner Generation. Doch das tut nicht wirklich etwas zur Sache. Interessanter sind andere Details der Komposition.
Unterhalb der Schlagzeile war nicht nur Gaddafi zu sehen, blutiges Gesicht, reglose Züge. Oben links war auch das Foto eines jungen Kämpfers in Zivil eingeschnitten, eine Baseballmütze der Yankees auf dem Kopf, ein marineblaues T-Shirt mit dem Aufdruck: „I love you, missing you, Baby“.
In der Hand hat er eine vergoldete Pistole, Seriennummer 511MP51396, „Made in Belgium“. Mit höchster Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei der Pistole um eine 9mm Browning Hi Power M1911A1, besser bekannt als Colt 45.
Der französischen Nachrichtenagentur AFP zufolge heißt der junge Mann Mohammed al-Babi. Die vergoldete Pistole hat er nach eigenen Angaben selbst Gaddafi abgenommen. Der getötete libysche Machthaber, so viel lässt sich eruieren, hatte wie viele arabische Diktatoren ein Faible für goldene Waffen, die spätestens seit dem James-Bond-Klassiker „Der Mann mit dem goldenen Colt“ Kult sind.
Schon einige der Kämpfer, die Gaddafis Hauptquartier Bab al-Azizia in Tripolis Mitte August erobert hatten, trugen Goldwaffen als Kriegstrophäen nach Hause. Einer der Soldaten, der damals stolz ein erbeutetes vergoldetes AK-47-Schnellfeuergewehr präsentierte, sagte: „Mit dem Ding haben die Gaddafi-Leute auf uns geschossen.“
Erinnerungen an Saddam. Die goldene AK-47 rief Erinnerungen an den am 30. Dezember 2006 hingerichteten irakischen Diktator Saddam Hussein wach. Er hatte ein güldenes Tabuk-Schnellfeuergewehr in seinem Besitz – die Tabuk ist ein irakischer Nachbau der russischen AK-47. Heute befindet sich die Waffe übrigens im Besitz der australischen Armee, die sie von den USA zum Dank für die Unterstützung bei der Invasion des Irak erhalten hatte.
Im Sommer dieses Jahres kursierten Bilder, die zwei weitere vergoldete Waffen Gaddafis zeigten: Eine davon war mit unzähligen Edelsteinen verziert, Gaddafis Name war in einem geschwungenen Schriftzug über dem Bild eines Pferds eingraviert. Ein anderer Kämpfer der Rebellen plünderte eine etwas bescheidener ausgestattete russische Makarov PMs.
Warum Gaddafi aber zuletzt den goldenen Colt 45 trug und wer ihm den Revolver geschenkt hatte, ist ein Geheimnis, das der libysche Langzeitherrscher vermutlich mit in den Tod nahm.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2011)