Theater: Paulus Mankers Ehrenrettung für Walter B. Iltz

Theater Paulus Mankers Ehrenrettung
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Der Direktor des Wiener Volkstheaters in der NS-Zeit erhielt ein Porträt in der Ehrengalerie des Hauses. Manker fand eine Fülle neuer Dokumente von Iltz und schrieb ein Buch darüber.

Im Volkstheater wurden am Sonntag in der Ehrengalerie ehemaliger Direktoren Porträts von Walter Bruno Iltz und Günther Haenel enthüllt. Haenel (1898–1996) galt immer als Zentralfigur des Widerstands. Iltz (1886–1965) aber war der von den Nazis eingesetzte Direktor und führte das Haus 1938 bis 1944. Eine Ehrung für einen, der vielen als NS-Bonze gilt? Sein Gemälde ist Symbol einer Rehabilitierung. Sie wurde von Paulus Manker forciert, der Direktor Michael Schottenberg für die Idee gewann. (Die Porträts malten Heidi Baratta bzw. Reinhard Trinkler.)

Im Gespräch mit der „Presse“ erläutert Theatermacher Manker das Ergebnis seiner Recherchen: Das Buch „Walter Bruno Iltz. Die Enttarnung eines Helden“ ist eine Ehrenrettung. Iltz, Sohn eines Apothekers aus Danzig, hat penibel Buch geführt. Manker hat diese verschollenen Dokumente bei Verwandten von Iltz am Tegernsee aufgespürt. „Es lebt noch ein Neffe, Herr Königs aus Essen. Er sagte mir am Telefon, es gebe noch eine Aktentasche von seinem Onkel. Mitnichten! Tausende Briefe, Fotos, Dokumente, Tonbandaufnahmen – ein ganzes Leben.“

Auf die Idee zum Projekt kam Manker beim Verfassen der Biografie seines Vaters Gustav, die im Vorjahr erschien. „Schon damals wusste ich, dass Iltz gar kein Nazi war, sondern im Gegenteil ein toller Charakter.“ Manker senior arbeitete ab 1938 als Bühnenbildner am Volkstheater. Iltz scharte ein junges, talentiertes Ensemble um sich. Auch nach dem Krieg lobten die Mitglieder seinen Charakter: Er sei „die sichere Burg demokratischen Freigeistes“ gewesen, sagte O. W. Fischer. Dorothea Neff nannte Iltz „sauber, unparteiisch und hilfsbereit“. Und der Komponist Kurt Weill schätzte „seine persönliche Überzeugung und Courage“.

Theateralltag im Dritten Reich

Anhand dieser Aufzeichnungen erhält man einen minutiösen Einblick in den Theateralltag der Zwanzigerjahre und im Dritten Reich – die frühen Jahre von Iltz in Gera, die Ära Düsseldorf und die Zeit im Volkstheater. „Dass ich Briefe von meinem Vater und auch Zeichnungen fand, hat mir die Tränen in die Augen getrieben“, sagt Manker, „es gibt Korrespondenzen von Berg, Weill, Hindemith. Max Brod empfiehlt Iltz eine Schauspielerin – Dora Diamant, die Freundin Kafkas. Ich halte die Akten für den bedeutendsten theaterwissenschaftlichen Fund seit Langem.“

Wichtig waren auch die Dokumente zur Entnazifizierung. „Sie bescheinigen Iltz, dass er sich in der Judenfrage mutig verhalten hat.“ Briefe dokumentieren, wie sich der Intendant schon vor der Machtergreifung der Nazis mit deren Kampfbund für Deutsche Kultur in Düsseldorf anlegt, Weills Oper „Die Bürgschaft“ trotz immensen Drucks nicht absetzt und auch in der Diktatur die jüdischen Ensemblemitglieder verteidigt. Er verbittet sich jede Einmischung. „Iltz war immer schon ein Fan der Jugend und der Moderne, er hat in Düsseldorf ab 1927 mit dem jüdischen Dirigenten Horenstein und dem jüdischen Regisseur Schramm den Schwerpunkt auf moderne Oper gelegt – Hindemith, Pfitzner, Weill, Berg.“

Die örtlichen Nazis fordern 1933 die sofortige Entlassung von Iltz, schreiben an den damals für Kultur zuständigen Hermann Göring, doch der lässt den Intendantenvertrag bis 1937 laufen. Propagandaminister Joseph Goebbels fördert Iltz ebenfalls. Der sucht auch Einvernehmen mit dem Regime, will sogar in die Partei. Das wird abgelehnt. Der Widerspenstige erhält einen Aufpasser.

1937 gab es keinen Job mehr für ihn in Deutschland. „Er kam in die Verbannung nach Wien, wie es mein Vater ausdrückte“, sagt Manker. Iltz ließ zwar auch einige Tendenzstücke aufführen, „aber gesehen wurde er von den meisten im Haus als väterlicher Beschützer. Er wusste, dass ein Großteil des Ensembles dem Regime nicht nur kritisch, sondern feindlich gegenüberstand. Er wusste anscheinend, dass Neff in ihrer Wohnung eine Jüdin versteckte.“ Mit dem Engagement des Kommunisten Haenel wächst der Mut zum Widerstand. „Es gab zwei berühmte systemkritische Aufführungen von Shaw und Raimund. Man machte sich in ,Der Diamant des Geisterkönigs‘ über die Nazis lustig. Es soll sogar eine Hitler-Parodie gegeben haben. Das wurde von Iltz geduldet.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2011)

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