"Gutachter kann nie eindeutige Lösung bieten"

JusDekan eindeutige Loesung
JusDekan eindeutige Loesung(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Jus-Dekan Heinz Mayer, soeben 65 geworden, erklärt, warum er brisante Gutachten wie das über Studiengebühren verfasst. Und: Wieso er für ein Regierungsamt schon zusagte - und doch froh ist, dass nichts daraus wurde.

Die Presse: Sie haben vorige Woche mit einem Gutachten zum Thema Studiengebühren wieder einmal für Aufsehen gesorgt. Kurze Zeit später kam ein Gutachten des Verfassungsdiensts zum gegenteiligen Ergebnis. Man kann offenbar in juristischen Fragen sehr unterschiedlicher Meinung sein.

Heinz Mayer: Das ist leider so, ja.

Aber was ist dann ein Gutachten eigentlich wert? Muss man nicht gerade aus Ihrer methodischen Position des Rechtspositivismus heraus sagen, man kann nur auf das zur Entscheidung berufene Organ verweisen?

Es kommt darauf an, dass man seine Meinung methodisch sauber begründet, und das ist es dann. Mehr kann die Wissenschaft nicht leisten. Die Organe, die zu entscheiden haben, müssen das Recht anwenden und sich irgendeiner Argumentation anschließen. Aber ein Gutachter kann nie eine endgültige, eindeutige Lösung herbeiführen. Er kann seine Meinung sagen, seine Argumente offenlegen.

Worin liegt der Wert des Gutachtens in der politischen Debatte?

Viele Gutachten bleiben unwidersprochen, viele können andere überzeugen. Das ist natürlich dort schwieriger, wo es sehr emotionale Auseinandersetzungen gibt. Dort wird auch eine rationale Begründung weniger gewichtig sein.

Was kostet so ein Gutachten eigentlich?

Das hängt ganz davon ab, wie groß der Aufwand ist, wie wichtig das für den Auftraggeber ist, oder ob man damit rechnen muss, dass man, so wie jetzt, in eine öffentliche Debatte gezerrt wird.

Von ... bis ...?

Das kann man nicht sagen. Aber üblicherweise sind meine Gutachten billiger als solche von bedeutenden Anwälten.

Und das zu den Studiengebühren?

Das sage ich nicht.

Apropos Studien: Das neue Semester hat begonnen. Wie stellt sich die Lage der Wiener rechtswissenschaftlichen Fakultät dar?

Wir erwarten mehr Studierende als im letzten Jahr, nämlich 2500 bis 3000. Die Lage ist aber nicht dramatisch. Nach dem ersten Semester lichten sich die Reihen ohnedies schon erheblich.

Ist der Studienplan praxisrelevant genug? Was kann denn der Jurist, wenn er mit dem Studium fertig ist?

Die Universität kann keine Ausbildung in der Praxis ersetzen. Und praxisrelevante Themen ändern sich. Vor zehn Jahren war Energierecht der Renner, etwas früher Telekomrecht. Heute ist das nur mehr für eine Handvoll Spezialisten interessant. Die Universität sollte nicht jeder Mode nachlaufen, sondern einen Überblick über alle juristischen Fächer geben und versuchen, den Blick der Studierenden zu schärfen.

Ist das Studium im Laufe der Zeit schwerer oder leichter geworden? Sind die Studenten fauler oder fleißiger geworden?

Die Studienrichtung, mit der ich studiert habe, war wesentlich einfacher und ist mir wesentlich mehr entgegengekommen. Für mich war das ideal. Ich war ohne Zwang viel auf der Uni und habe Lehrveranstaltungen besucht, die mich interessiert haben. Heute ist es da viel schwerer, es gibt viel mehr Pflichtveranstaltungen. Das liegt aber zum Teil auch daran, dass die Studierenden immer weniger Verbindlichkeit gezeigt haben. Und die Studierenden kommen nicht gut vorbereitet von der Mittelschule zur Universität.

Inwiefern bereitet die Mittelschule nicht aufs Studium vor?

In der Mittelschule wissen sie am Beginn des Schuljahres, wann ist Schularbeit, was darf geprüft werden, was nicht. Die lernen für die Schularbeit, und dann ist wieder alles vorbei. Und so studieren sie dann auch. Unsere Studierenden aus den östlichen Nachbarländern sitzen hingegen im Hörsaal mit dem Bedürfnis, dass sie was von den Lehrenden haben wollen. Die quetschen die Lehrenden aus.

Was müsste man im Schulsystem ändern, damit Sie bessere Studenten erhalten?

Die Eigenverantwortung stärken und die Schüler weg vom punktuellen Lernen bringen, damit sie ihre Interessen finden können. Ich kenne viele Schüler, die im Sommer nach der Matura noch nicht wissen, was sie eigentlich studieren wollen.

Und bei Ihnen war das anders?

Ich habe schon mit sechs Jahren gewusst, dass ich Jus studiere...

...und dass Sie Dekan werden wollen?

Nein, damals wollte ich Anwalt werden. Aber in meiner Klasse hat sich in der Oberstufe schon bei den meisten herauskristallisiert, was sie studieren werden.

Sie kommen in den Medien oft vor, weil Sie Antworten schnell parat haben. Nun werden Sie aber nicht nur zu verfassungs-, sondern etwa auch zu strafrechtlichen Fragen gefragt. Wissen Sie alles so auf die Schnelle?

Nein, aber ich glaube relativ schnell zu erkennen, wo das Problem liegt. Und auch im Verfassungsrecht werden leider immer mehr strafrechtliche Fragen relevant. Aber jeder muss wissen, dass ich nicht die absolute Wahrheit gepachtet habe, das hat niemand.

Wie sehen Sie die Debatte um das Weisungsrecht bei Staatsanwälten?

Jeder Justizminister sagt, er gibt keine Weisungen. Davon bin ich überzeugt, denn das ist gar nicht notwendig. In einem großen Apparat sind die meisten Beamten loyal, die wollen ja ihren Minister nicht in Schwierigkeiten bringen. Und jetzt weiß ich aus Erzählungen, dass ein guter Vorgesetzter seine Beamten immer dazu bringt, das zu machen, was er will. Da ruft man den Staatsanwalt an oder lässt anrufen, weist daraufhin, dass es sich um eine heikle Sache handelt und der Minister genau informiert werden will. Dann weiß der Betroffene schon, in welche Richtung es geht. Der Fall Golowatow wäre nicht möglich gewesen, wenn es unser System nicht gäbe.

Wie lösen wir das Problem nun?

Wir sind einiges der wenigen Länder, in dem Staatsanwälte von einer politischen Instanz abhängig sind. Ich habe schon einmal eine staatsanwaltschaftliche Spitze gefordert, etwa einen Bundesstaatsanwalt, der eine ähnliche Stellung wie der Präsident des Rechnungshofs hat. Wichtig ist, das man etwas wegkommt von der politischen Befangenheit, auch wenn das nie ganz gelingen wird. Kein Organ dieser Republik wird je völlig unabhängig von der Politik sein. Auch der Rechnungshof-Präsident nicht, aber er wird vom Parlament auf zwölf Jahre bestellt und kann nicht wiederbestellt werden. Das gibt ihm eine gewisse Unabhängigkeit.

Wie schätzen Sie den Respekt der Politiker vor Recht und Rechtsstaat ein? Hat sich der Respekt in den letzten Jahrzehnten verschlechtert?

Ja, entscheidend. Und ein ganz schlimmes Ereignis war die nicht rechtzeitige Vorlage des Bundesfinanzentwurfs im Vorjahr. Das war ein offener Verfassungsbruch.

Wie schafft man wieder mehr Rechtsbewusstsein bei Politikern?

Ich glaube, das ist ein allgemeines Problem. Wir haben eine negative Auslese in der Politik, und das wird immer schlimmer.

Nun gab es auch Zeiten, in denen der Name Heinz Mayer als möglicher Justizminister durch die Medien geisterte. Hätte Sie dieses Amt gereizt, um Missstände zu beseitigen?

Ich wurde einmal gefragt, ob ich zur Verfügung stehe.

Wer hat Sie wann gefragt?

Das ist jetzt egal. Aber damals habe ich gesagt, ich könnte mir das vorstellen. Rückblickend bin ich aber froh, dass ich nicht Justizminister geworden bin.

Warum? Haben Sie befürchtet, Teil des Systems zu werden?

Wie setzt man als parteiunabhängiger Justizminister politische Ziele durch? Der kann ja nichts eintauschen, hat keine Verhandlungsmasse. Ich glaube, es ist höchst unbefriedigend, parteiloser Justizminister zu sein.

Warum haben Sie dann damals trotzdem Ja gesagt?

Weil ich damals in einem Alter war, in dem ich mir gedacht habe, das kann man auch probieren, das wäre schon spannend. Ich hatte das Gefühl, es geht immer weiter nach oben und es wird immer alles besser – und Justizminister wäre dann der nächste Punkt.

Wenn es einmal eine Art „Justiz-Rechnungshof-Präsident“, wie Sie ihn fordern, geben sollte: Wäre das etwas für Sie? Oder würde Sie sonst noch ein Amt reizen?

Ich bin jetzt 65, werde noch drei Jahre an der Uni sein und werde mich dann zurückziehen.

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Sie haben einst Fliege getragen, jetzt tragen Sie Krawatte. Ist bei Ihnen der Wolfgang-Schüssel-Effekt eingetreten?

Ich habe ja auch noch Mascherl getragen, als sie der Wolfgang Schüssel nicht mehr getragen hat. Nein, es ist eine ganz harmlose Geschichte. Meine Frau hat mit irgendwann zum Geburtstag Mascherln geschenkt und gemeint: „Du hast lang genug Krawatten getragen, probier es mal mit denen.“ Und das hat mir dann Spaß gemacht, und ich habe länger Mascherln getragen – und dann habe ich es wieder gelassen und trage jetzt schon lange wieder Krawatte.

Zur Person

Heinz Mayer wird heute, Montag, in einem Festakt an der Universität Wien geehrt: Mayer feierte am 22.September seinen 65.Geburtstag. Seit 2006 ist Mayer Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Zudem ist Mayer als Autor verfassungsrechtlicher Standardwerke bekannt. Zuletzt sorgte Mayers Gutachten für das Bildungsministerium, demzufolge die Unis künftig selbst Studiengebühren einheben dürfen, für Aufregung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2011)

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