Nokia Lumia: Zwei neue Windows Phones vorgestellt

Nokia Lumia Zwei neue
Nokia Lumia Zwei neue(c) Presse Digital (Daniel Breuss)
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Die Smarpthones Lumia 800 und Lumia 710 sollen Licht ins finnische Dunkel bringen. Mit Nokias neuen Geräten steht und fällt auch Microsofts Handy-Ambition.

Die allzu große Überraschung war es nicht mehr, als Nokia-Chef Stephen Elop heute den neuen Smartphone-Hoffnungsträger Nokia Lumia 800 enthüllte. Die Hardware war vom bereits erhältlichen N9 bekannt, die Software ist Windows Phone 7.5 "Mango", das man bereits von anderen Geräten kennt. Und diverse "informierte Kreise" hatten bereits im Vorfeld Bilder und Typenbezeichnung des Geräts an die Web-Öffentlichkeit gespielt. Zusätzlich stellte Nokia noch das darunter angesiedelte Lumia 710 vor.

Bei den Geräten handelt es sich um einen wichtigen Schritt für den angeschlagenen finnischen Hersteller. Immerhin sind sie erste sichtbare Ergebnis der im Februar verkündeten Partnerschaft mit Microsoft. Nokia steht und fällt ab sofort mit Windows Phone. Denn das alte Standbein Symbian wurde an Accenture ausgelagert und das im Vorjahr propagierte MeeGo-System vorzeitig in den Ruhestand geschickt. Mit beiden konnte der Hersteller bisher nicht die wachsende Smartphone-Konkurrenz von Apples iPhone und Googles Android-Plattform eindämmen.

N9-Zwilling mit Microsoft-Software

Das Lumia 800 verfügt über dasselbe schwarze, blaue oder rosane Kunststoffgehäuse des N9, das wertig und stabil wirkt. Darin eingepasst ist eines der schönsten Touchscreen-Displays der Branche. Basierend auf AMOLED-Technologie bietet es eine Diagonale von 3,7 Zoll und eine Auflösung von 800 x 480 Bildpunkten. Als Kraftwerk fungiert ein 1,4-Gigahertz-Prozessor. Es handelt sich dabei um ein Modell vom Typ Snapdragon, das bereits im Vorjahr in vielen Geräten mit 1 GHz verfügbar war und bietet nur einen Rechenkern. Andere Flaggschiffgeräte verfügen bereits seit Monaten über Prozessoren mit zwei Kernen. Die Kamera schießt Bilder mit 8 Megapixel und soll selbst bei schlechten Bedingungen noch gute Bilder machen.

Das Lumia 710 ähnelt von den Leistungsdaten her stark dem Topmodell, wirkt auf den ersten Blick aber etwas klobiger. Die Kamera bietet mit 5 Megapixel lediglich Durchschnittskost. Diverse bunte Cover, die farbgleich mit diversen Elementen in Windows Phone sind, sollen die Geräte, die prinzipiell in Weiß oder Schwarz angeboten werden, sich besser personalisieren lassen. Eine Frontkamera bieten übrigens beide Geräte nicht.

Klassische Windows-Kost

Beim Betriebssystem gibt es keine Überraschungen. Zwar hatte Windows-Phone-Spartenchef Andy Lees im Vorfeld behauptet, Nokia würde viel Freiraum bei der Hard- und Software haben. Auf den ersten Blick präsentiert sich die Benutzeroberfläche aber wie jedes andere Handy mit dem Microsoft-System. Das ist per se nicht schlecht, bietet gerade die aktuelle Version "Mango" die wohl nahtloseste Integration von Social Networks, insbesondere Facebook und generell eine der besten Lösungen für E-Mail und Gruppen-Kommunikation auf dem Handy-Markt.

Offline-Navigation inkludiert

Wie zu erwarten war, hat Nokia seine kostenlose Offline-Navigation "Drive" auf Windows Phone portiert. Hier hat der Hersteller der Konkurrenz noch etwas voraus. Eine dermaßen umfassende Navi-Lösung gibt es auf keinem anderen Handy ohne Aufpreis. Zwar bietet Googles Android auch Streckenführung. Allerdings funktioniert diese nur eingeschränkt ohne Internetverbindung. Fährt man öfter ins Ausland und will sich ein Navi sparen, beziehungsweise möchte durch eine noch unbekannte Stadt kommen, ohne an jeder Ecke nachfragen zu müssen, ist eine solche Lösung viel wert.

Kostenlose Musik-Mixes

Als weiteren Mehrwert wurde Nokia Music integriert. Die App bietet einige Musikstücke in voller Länge bereits mitgeliefert an. Über die Funktion "Mix Radio" kann man sich vorgefertigte Playlists herunterladen und für späteren Gebrauch offline speichern. Diese können als animierte Live Tile auch an den Startbildschirm angepinnt werden. Nokia behauptete vollmundig, damit das "Problem der Online Musik gelöst" zu haben. Für Sportfans soll der ESPN Sports Hub eine gute Übersicht über diverse Sportarten und Events bieten. Fans können sich Informationen über ihr Lieblings-Fußballteam direkt auf den Startbildschirm holen.

Ab Jänner in Österreich

Der Musikdienst soll auch in Österreich verfügbar werden. Ob er aber schon bei Markteinführung angeboten wird, ist noch unklar. Einen offiziellen Start für unsere Breiten hat Nokia noch nicht kommuniziert. DiePresse.com hörte aber aus mehreren Quellen das Datum Jänner 2012 für den heimischen Markt. In Großbritannien, Deutschland, Italien, Frankreich, den Niederlanden und Spanien werden die Lumia-Geräte noch im November ausgeliefert. Um das zu untermauern gab es während der Vorstellung eine Liveschaltung nach Finnland, wo gerade Lumia-Handys eingepackt wurden. Als Preise nannte Nokia-Boss Elop 420 Euro für das Lumia 800 und 270 Euro für das Lumia 710.

(c) Daniel Breuss

Immer mehr Software

Bei den Apps kann Microsoft inzwischen auf mehr als 35.000 verfügbare Anwendungen in seinem Marketplace für Windows Phone blicken. Mehr als die Hälfte davon wird kostenlos angeboten, berichtet die Website WP7Applist. Zwar verfügt die Plattform über deutlich weniger Inhalte als etwa Apples App Store oder Googles Android Market. Das Wachstum geht aber seit der Einführung des Marketplace vor etwa einem Jahr steil bergauf.

Gegen den Abwärtstrend

Nokia hofft mit, mit seinen Windows Phones die Abwärtsspirale bremsen zu können, in der sich der Hersteller derzeit befindet. Im vergangenen Geschäftsquartal verkauften die Finnen um 38 Prozent weniger Smartphones als noch im Vorjahreszeitraum. Apple und Samsung sind bereits längst an dem einstigen Branchenprimus vorbeigezogen. Nun könnte man argumentieren, dass viele potenzielle Kunden auf diesen Moment, die Vorstellung der neuen Flaggschiff-Geräte, gewartet hat. Auch Apple hatte aufgrund des Wartens auf das iPhone 4S weniger Stückzahlen seines Kult-Handys abgesetzt, als ursprünglich erwartet. Bei Nokia dauert die Durststrecke allerdings schon deutlich länger.

Gegenseitige Abhängigkeit

Bisher gelten Geräte mit Microsofts Betriebssystem mehr als Kritiker- denn als Publikumslieblinge. Die Verkaufszahlen der Windows Phones grundeln an der Wahrnehmungsschwelle herum. Insofern ist die Kooperation für beide Unternehmen überlebenswichtig. Scheitert Nokia, wird wohl auch Microsofts mobiles Betriebssystem scheitern. Und mit Nokias Untergang wird der letzte große, integrierte Telekomkonzern Europas verschwinden. Doch noch ist es nicht soweit. Zwar wurden tausende Mitarbeiter im Zuge von Umstrukturierungen entlassen. Firmenchef Elop beteuert aber bei jeder Gelegenheit seinen Glauben an Nokia und an die Zukunft des Unternehmens. Hier sollen auch neue Entscheidungsprozesse helfen, die der einstige Microsoft-Manager von seinem ehemaligen Arbeitgeber mitgebracht hat.

Nokia als Windows-Phone-Speerspitze

Böse Zungen hatten nach der Ankündigung der strategischen Partnerschaft behauptet, Elop sei ein "trojanisches Pferd", um Nokia noch weiter herunterzuwirtschaften, um es für einen Kauf durch Microsoft vorzubereiten. Realistisch betrachtet hat Microsoft aber mehr zu gewinnen, wenn Nokia das Windows-Phone-Evangelium in die Smartphone-Gemeinde trägt. Ob diese zuhören will, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Zwar gibt es mit HTC und Samsung noch andere Hersteller, die auf die Microsoft-Plattform setzen. Deren Prioritäten liegen derzeit aber mehr bei Googles deutlich erfolgreicheren Konkurrenzplattform Android.

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