Humanitäres Engagement. Mit seiner NGO „Sonne International“ erreicht Erfried Malle allein in Afrika 80.000 Menschen. Die Finanzierung seiner Projekte ist aber alles andere als gesichert.
Ich bin irrsinnig gerne hier oben“, lacht Erfried Malle in das Mikrofon. Hier oben, das ist die Bühne, und genau hier nimmt Malle seine Auszeichnung entgegen: Er wurde von den „Presse“-Lesern zum „Österreicher des Jahres“ in der Kategorie Humanitäres Engagement gewählt.
Für Malle kam die Auszeichnung völlig überraschend. Seine NGO „Sonne International“ ist im Vergleich zu den Roten Nasen und Hilfswerk Austria International – den weiteren Nominierten – (noch) kaum bekannt. Aber eine Erklärung, warum gerade er die „Presse“-Leser überzeugt hat, fällt ihm spontan trotzdem ein: „Bei uns steckt sehr viel Herzblut“, sagt er, „und die, die uns unterstützen, bringen auch sehr viel Herzblut mit.“ Denn sie würden eines wissen: Wenn sie die Arbeit nicht machten, würde sie niemand machen.
Die Arbeit von Malle und drei weiteren Mitarbeitern bedeutet für viele Kinder medizinische Betreuung, Verhindern von Genitalverstümmelung und vor allem Zugang zu Bildung. Von einem kleinen Büro in Wien aus koordiniert Malle Schulprojekte in Äthiopien, Bangladesch und Myanmar. Vor Ort wird auf lokales Lehrpersonal gesetzt, die von Sonne für ihre Dienste entlohnt werden. Allein in Äthiopien haben durch den Einsatz von Malles Team mehr als 11.000 Kinder Lesen und Schreiben gelernt. Der Unterricht selbst ist für die Kinder oft eine Gratwanderung: „Sie werden vom Analphabetentum direkt ins Computerzeitalter katapultiert“, sagt Malle.
Gegründet hat der gebürtige Kärntner die NGO vor zehn Jahren (Sonne steht für Support Organisation for Non-formal Needed Education). Eine abgesicherte, kontinuierliche Finanzierung hat Sonne nicht. Besonders seit der Wirtschaftskrise sind die Spenden massiv zurückgegangen, sagt Malle (siehe Interview rechts). Die Auszeichnung als „Österreicher des Jahres“ will er nun nutzen, um mehr Sponsoren zu finden. Immerhin sei die Austria'11-Trophäe ein Zeichen dafür, dass Österreich den Wert der Entwicklungsarbeit anerkenne, sagt Malle.
„Jeder hätte diesen Preis verdient“
Überreicht wurde ihm die Trophäe von Friedrich Stickler, Generaldirektor-Stellvertreter von den Österreichischen Lotterien. Die Lotterien haben auch den Scheck über 10.000Euro gesponsert, der Malle ebenfalls überreicht wurde. Dieses Geld werde er verwenden, um die Lehrer in Bangladesch besser zu bezahlen, sagt Malle. Die meisten von ihnen leben unter dem Existenzminimum, ihr Lohn beträgt nicht mehr als 30Euro im Monat. Seine Lehrer will Malle auf keinen Fall verlieren, denn die Suche nach neuen sei mühsame Arbeit, wie er sagt.
„Prinzipiell hat jeder Mensch, der sich für andere einsetzt, unsere Hochachtung verdient“, meint Moderatorin Claudia Reiterer. Friedrich Stickler stimmt zu: Mit Blick auf die zwei anderen Nominierten in der Kategorie Humanitäres Engagement sagt er: „Jeder hätte diesen Preis verdient.“ Auch wenn die Roten Nasen und Hilfswerk Austria International nicht gewonnen haben – einen Scheck über 10.000Euro bekamen sie trotzdem überreicht. Allein die Nominierung bedeute, dass den Roten Nasen viel Verständnis für ihre Arbeit entgegengebracht werde, sagt Monika Culen. Sie hat 1994 die Roten Nasen gegründet, mittlerweile bringen über 240Clowndoctors die kleinen Patienten zum Lachen – in acht Ländern.
Gerade für die internationale Arbeit sei es aber sehr schwierig, Geld aufzutreiben, meint Culen. Und das, obwohl die Anfragen aus dem Ausland steigen. Die 10.000Euro seien jedenfalls das Startkapital für ein neues Kriseninterventionsprogramm. Dass die Austria'11-Trophäe an Erfried Malle gegangen sei, freue Culen aber – sein hoher persönlicher Einsatz sei bemerkenswert.
Hilfe zur Selbsthilfe
Einen hohen persönlichen Einsatz kann freilich auch Heidi Burkhart vorweisen: Sie arbeitet bereits seit 1979 für das Hilfswerk, seit 15Jahren ist sie die Geschäftsführerin von Hilfswerk Austria International. Ihr Prinzip lautet „Hilfe zur Selbsthilfe“ – ein Motto, das auch für Erfried Malle gilt. Er sitzt die meiste Zeit in seinem Büro in Wien und setzt auf lokale Partner, die vor Ort die Projekte überwachen. Drei Monate im Jahr ist er unterwegs, um sich selbst ein Bild von den Fortschritten zu machen.
Bevor Malle Sonne gegründet hat, ist er Reiseleiter gewesen – und gleichzeitig für verschiedene NGOs tätig. Bei einer Reise erfuhr er, dass eines seiner Projekte misslungen war. Das war die Initialzündung. Dass Malle nur drei Mitarbeiter hat, heißt aber nicht, dass er keine große Wirkung hat: Allein in Afrika erreicht Sonne 80.000Menschen. Sein größter Wunsch für die NGO, die er gemeinsam mit Susanne Prügger gegründet hat? Ein stabiles Team und eine stabile Finanzierung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2011)