Damit äthiopische Kinder Lesen lernen: Erfried Malle ist „Österreicher des Jahres“

Friedrich Stickler, Heidi Burkhart, Erfried Malle, Monika Culen, Reinhold Gmeinbauer (von li.).
Friedrich Stickler, Heidi Burkhart, Erfried Malle, Monika Culen, Reinhold Gmeinbauer (von li.).(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Humanitäres Engagement. Mit seiner NGO „Sonne International“ erreicht Erfried Malle allein in Afrika 80.000 Menschen. Die Finanzierung seiner Projekte ist aber alles andere als gesichert.

Ich bin irrsinnig gerne hier oben“, lacht Erfried Malle in das Mikrofon. Hier oben, das ist die Bühne, und genau hier nimmt Malle seine Auszeichnung entgegen: Er wurde von den „Presse“-Lesern zum „Österreicher des Jahres“ in der Kategorie Humanitäres Engagement gewählt.

Für Malle kam die Auszeichnung völlig überraschend. Seine NGO „Sonne International“ ist im Vergleich zu den Roten Nasen und Hilfswerk Austria International – den weiteren Nominierten – (noch) kaum bekannt. Aber eine Erklärung, warum gerade er die „Presse“-Leser überzeugt hat, fällt ihm spontan trotzdem ein: „Bei uns steckt sehr viel Herzblut“, sagt er, „und die, die uns unterstützen, bringen auch sehr viel Herzblut mit.“ Denn sie würden eines wissen: Wenn sie die Arbeit nicht machten, würde sie niemand machen.

Die Arbeit von Malle und drei weiteren Mitarbeitern bedeutet für viele Kinder medizinische Betreuung, Verhindern von Genitalverstümmelung und vor allem Zugang zu Bildung. Von einem kleinen Büro in Wien aus koordiniert Malle Schulprojekte in Äthiopien, Bangladesch und Myanmar. Vor Ort wird auf lokales Lehrpersonal gesetzt, die von Sonne für ihre Dienste entlohnt werden. Allein in Äthiopien haben durch den Einsatz von Malles Team mehr als 11.000 Kinder Lesen und Schreiben gelernt. Der Unterricht selbst ist für die Kinder oft eine Gratwanderung: „Sie werden vom Analphabetentum direkt ins Computerzeitalter katapultiert“, sagt Malle.

Gegründet hat der gebürtige Kärntner die NGO vor zehn Jahren (Sonne steht für Support Organisation for Non-formal Needed Education). Eine abgesicherte, kontinuierliche Finanzierung hat Sonne nicht. Besonders seit der Wirtschaftskrise sind die Spenden massiv zurückgegangen, sagt Malle (siehe Interview rechts). Die Auszeichnung als „Österreicher des Jahres“ will er nun nutzen, um mehr Sponsoren zu finden. Immerhin sei die Austria'11-Trophäe ein Zeichen dafür, dass Österreich den Wert der Entwicklungsarbeit anerkenne, sagt Malle.

„Jeder hätte diesen Preis verdient“

Überreicht wurde ihm die Trophäe von Friedrich Stickler, Generaldirektor-Stellvertreter von den Österreichischen Lotterien. Die Lotterien haben auch den Scheck über 10.000Euro gesponsert, der Malle ebenfalls überreicht wurde. Dieses Geld werde er verwenden, um die Lehrer in Bangladesch besser zu bezahlen, sagt Malle. Die meisten von ihnen leben unter dem Existenzminimum, ihr Lohn beträgt nicht mehr als 30Euro im Monat. Seine Lehrer will Malle auf keinen Fall verlieren, denn die Suche nach neuen sei mühsame Arbeit, wie er sagt.

„Prinzipiell hat jeder Mensch, der sich für andere einsetzt, unsere Hochachtung verdient“, meint Moderatorin Claudia Reiterer. Friedrich Stickler stimmt zu: Mit Blick auf die zwei anderen Nominierten in der Kategorie Humanitäres Engagement sagt er: „Jeder hätte diesen Preis verdient.“ Auch wenn die Roten Nasen und Hilfswerk Austria International nicht gewonnen haben – einen Scheck über 10.000Euro bekamen sie trotzdem überreicht. Allein die Nominierung bedeute, dass den Roten Nasen viel Verständnis für ihre Arbeit entgegengebracht werde, sagt Monika Culen. Sie hat 1994 die Roten Nasen gegründet, mittlerweile bringen über 240Clowndoctors die kleinen Patienten zum Lachen – in acht Ländern.

Gerade für die internationale Arbeit sei es aber sehr schwierig, Geld aufzutreiben, meint Culen. Und das, obwohl die Anfragen aus dem Ausland steigen. Die 10.000Euro seien jedenfalls das Startkapital für ein neues Kriseninterventionsprogramm. Dass die Austria'11-Trophäe an Erfried Malle gegangen sei, freue Culen aber – sein hoher persönlicher Einsatz sei bemerkenswert.

Hilfe zur Selbsthilfe

Einen hohen persönlichen Einsatz kann freilich auch Heidi Burkhart vorweisen: Sie arbeitet bereits seit 1979 für das Hilfswerk, seit 15Jahren ist sie die Geschäftsführerin von Hilfswerk Austria International. Ihr Prinzip lautet „Hilfe zur Selbsthilfe“ – ein Motto, das auch für Erfried Malle gilt. Er sitzt die meiste Zeit in seinem Büro in Wien und setzt auf lokale Partner, die vor Ort die Projekte überwachen. Drei Monate im Jahr ist er unterwegs, um sich selbst ein Bild von den Fortschritten zu machen.

Bevor Malle Sonne gegründet hat, ist er Reiseleiter gewesen – und gleichzeitig für verschiedene NGOs tätig. Bei einer Reise erfuhr er, dass eines seiner Projekte misslungen war. Das war die Initialzündung. Dass Malle nur drei Mitarbeiter hat, heißt aber nicht, dass er keine große Wirkung hat: Allein in Afrika erreicht Sonne 80.000Menschen. Sein größter Wunsch für die NGO, die er gemeinsam mit Susanne Prügger gegründet hat? Ein stabiles Team und eine stabile Finanzierung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2011)

Mehr erfahren

Giulio Superti-Furga (M.) erhielt den Preis von Klaus Pseiner und Henrietta Egerth.
Austria 11

Molekularbiologe garantiert jungen Forschern „einen riesigen Spaß“

Forschung. Der aus Mailand stammende Forscher Giulio Superti-Furga leitet in Wien das Zentrum für Molekulare Medizin, in dem nach der individuellen Behandlung für jeden Patienten gesucht wird.
Do&Co-Chef Attila Dogudan
Austria 11

„Die größten Feinde des Erfolgs sind Stillstand und Sättigung“

Wirtschaft. Attila Dogudan hat innerhalb von 30 Jahren ein weltweit agierendes Gastro-Imperium mit 3700 Mitarbeitern aufgebaut. Für ihn ist das kein Ruhepolster, sondern ein Ansporn.
Ursula Schneider und Fritz Oettl werden von Werner Kretschmer ausgezeichnet.
Austria 11

Ein Voting für nachhaltige Baukultur in Österreich

Creative Industries. Das Wiener Büro POS Architekten wurde mit dem Austria'11-Award ausgezeichnet, der sie für ihr konsequent ökologisches Engagement in der Architektur belohnte.
Erfried Malle, Gewinner in der Kategorie Humanitäres Engagement
Austria 11

„Dieser Preis ist ein ganz wichtiger Meilenstein“

Erfried Malle, Gewinner in der Kategorie Humanitäres Engagement, über Gegenwart und Zukunft seiner NGO.
Volkstheater-Chef Michael Schottenberg mit Friedrch Stickler, Vizevorstand der Lotterien.
Austria 11

Wie bei den Oscars: Spannung, Show – und dann die Party

600Gäste – und zitternde Nominierte – genossen den Abend in den Art-for-Art-Werkstätten im Wiener Arsenal.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.