Das Ende der Menschen lässt weiter auf sich warten

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Klimapriester und andere Misanthropen sehnen das Ende der Menschheit als Erlösung der geschundenen Mutter Erde herbei. Sie werden ewig warten.

Gestern ist unser Mechanismus zur Absicherung der Meinungsstärke dieser Zeitung an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gestoßen. Um sicherzustellen, dass die „Presse“-Kommentare nicht allzu reportagenhaft geraten, wird in der Redaktionskonferenz jeden Tag, wenn das Thema des Tages fixiert ist, die Frage gestellt: „Sind wir dafür oder dagegen?“

Was antwortet man auf diese Frage, wenn das Thema des Tages „Weltbevölkerung“ lautet?

Nun, die Antwort „Wir sind dagegen“ ist nicht völlig aus der Welt. Es gab und gibt Menschen, die finden, dass die Erde ein Recht darauf habe, dass der Mensch von ihr verschwindet – als Strafe dafür, dass er sie so zugerichtet hat. Und sie werden immer mehr. Die Menschen und die, die finden, dass sie immer weniger werden sollten.

Die Vorstellung einer aus welchen Gründen auch immer menschenleeren Erde übt eine ungebrochene Faszination auf Künstler und Denker aus. Lars von Trier hat diese Faszination jüngst in einem Interview zum Film „Melancholia“, in dem ein Meteorit auf die Erde zurast, einbekannt. Ulrich Horstmann hat seine Misanthropie in dem Buch „Das Untier“ auf die Spitze getrieben, in dem er eine „Philosophie der Menschenflucht“ vorstellt und dafür plädiert, dass sich die Menschheit mithilfe des existierenden Atomwaffenarsenals selbst ausrottet. „The day after“ ist für Horstmann ein „happy day“.

Für die Idee, dass der Mensch sein Existenzrecht auf diesem Planeten eigentlich verwirkt hat, ist natürlich die innige Liebe der Ökobewegten und Tierliebhaber zur Mutter Erde, zur mythischen Gaia, unserer geschundenen Hervorbringerin, viel wirkmächtiger als die snobistische Misanthropie des Exzentrikers Horstmann. Die Priesterkaste der Klimareligion trägt Jute und Rupfenstrumpf statt Seide und Prada-Schlapfe. Die Frage, ob die apokalyptischen Bedürfnisse der Klimajünger nicht auch etwas von der Sehnsucht nach dem Ende des Menschen haben, wäre eine eingehende Untersuchung wert.

Welchen selbstzerstörerischen intellektuellen Furor Menschen entwickeln können, denen mehr an seltenen Singvögeln liegt als an steigenden Geburtenraten, hat der amerikanische Autor Jonathan Franzen an Walter Berglund exemplarisch dargestellt, einer der Hauptfiguren seines jüngsten Romans „Freedom“.

Immer mehr Menschen haben offenbar immer mehr Angst davor, dass es zu viele Menschen gibt. „Bevölkerungsexplosion“, „Waldsterben“ und „Grenzen des Wachstums“, das waren drei der apokalyptischen Gassenhauer der 1970er-Jahre. Früher dachte man, dass die zunehmende Mobilität einer zunehmenden Weltbevölkerung dazu führen würde, dass die Welt in Pferdemist versinkt. Heute glaubt man, dass die Erde, die man sich als menschlichen Organismus vorstellt, „erstickt“, weil man ihre „Lungen“ beeinträchtigt.

Das alles ändert nichts daran, dass demnächst sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben werden. Der Tag, an dem das passieren wird, nämlich der kommende Montag, wurde vollkommen willkürlich festgesetzt, und das passt gut ins Bild: Wir haben es weniger mit einem empirischen Phänomen zu tun als vielmehr mit einer Frage des Prinzips, die mit hohem Symbolwert ausgestattet ist. Ist es angesichts der Ressourcenverschwendung, die wir allenthalben beobachten können, überhaupt möglich, sieben Milliarden Menschen zu ernähren? Was, wenn all diese sieben Milliarden den Lebensstil pflegen wollen und können, den wir seit Jahrzehnten auf Kosten der anderen und der Mutter Natur pflegen? Sollten verantwortungsvolle Menschen überhaupt noch Kinder auf die Welt bringen, angesichts des immer dramatischer werdenden Wettbewerbs um knapper werdende nicht erneuerbare Ressourcen?

Ja, sie sollten. Sie sollten das ganze Geschwätz der lebens- und menschenfeindlichen Klima-Apokalyptiker und Antiwachstumshysteriker vergessen und darauf vertrauen, dass ihr Kind und all die anderen Kinder, die in Zukunft geboren werden, das Zeug dazu haben, die Grenzen dessen, was diese Erde an Belastungen durch immer mehr Menschen ertragen kann, immer weiter hinauszuschieben.

E-Mails an: michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2011)

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