„Todestanz“ mit Krampf und dem Hang zum Kitsch

(c) A. Krise/Theater in der Josefstadt
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Die Mesalliance von Friederike Roths „Lebenstanz“ mit August Strindbergs Ehedrama, zu sehen im Theater in der Josefstadt, ist misslungen.

Sandra Cervik tritt aus dem Vorhang auf die Vorbühne und bittet die Zuschauer der Josefstadt, ihre Mobiltelefone auszuschalten. Gehört das bereits zur Uraufführung der Melange von August Strindbergs „Todestanz“ und Friederike Roths „Lebenstanz“, die am Donnerstag gegeben wurde? Man weiß es bei dieser unentschlossenen Inszenierung von Günter Krämer nicht, ein Effekt des Vorspiels aber ist, dass die Zuschauer lachen. Zumindest für das 1900 entstandene Stück des depressiven Schweden, in dem sich ein Ehepaar auf einsamer Insel im Jahr der Silberhochzeit gnadenlos zerfleischt, scheint das ungewöhnlich zu sein.

Ekelhaft sind Strindbergs Dialoge, ihnen versucht die deutsche Autorin lyrische Ergüsse entgegenzusetzen, die an sich recht apart zu lesen sind, aber dem Vergleich nicht standhalten. Die interpolierten Texte Roths, die nach der Pause des 150 Minuten langen Abends sogar dominieren, grenzen in ihrer Überladenheit an Kitsch.

Der Totengott, die Mumie und der Mond

„Die Eifersucht der Pharaonen“ lautet der Untertitel des Stücks – das Bühnenbild (Herbert Schäfer) nimmt diesen Kommentar ernst: Erst ist zwar nur ein helles, cremefarbenes Sofa an der Rampe platziert, flankiert von einem Anubiskopf, Uniform und Stiefeln des Antihelden Edgar (Michael Abendroth), aber als sich später der Vorhang hebt, erblickt man nicht nur ein großes Ölbild von Bacon, sondern diverse Utensilien reinster Ägyptomanie: eine riesige Gepardensphinx nach dem Gemälde von Fernand Khnopff, eine Mumie, der Vollmond und noch ein Totengott. Was will uns die Regie damit sagen? Kann Strindbergs Wahn durch orientalische Tänze geheilt werden? Hier wird mit Krampf zusammengeführt, was nicht zusammenhält. Wir werden alle sterben. Die Ehe kann eine Hölle sein. Und wie ist das noch genau mit der Demenz? Was Strindberg verknappt, blähen Roth und Krämer zu einer Gruppentherapie auf, in der ein Chor der „Leidensfreien“ im Outfit von Lady Gaga auch noch falsche Hoffnungen weckt.

Hysterie, Geilheit, Unterwerfung

Zum Glück spielt Cervik die weibliche Doppelrolle als Edgars Gattin Alice bei Strindberg und als „Die Frau“ bei Roth. Diese physisch präsente Darstellerin in Unterwäsche und mit Strapsen ist resistent gegen falsche Romantik, sie spielt großzügig auf der Klaviatur der Emotionen, von reiner Hysterie über nackte Geilheit bis zur verstellten Unterwerfung. Sogar die Übertreibung setzt sie voller Engagement ein. Cervik ist eine Wucht, aber wie gerät sie in dieses verschwurbelte Drama, in dem sich die zwei Männer an ihrer Seite tapfer, aber vergeblich zu behaupten versuchen? Neben Abendroth als sterbendem Irren bzw. als „Der Alte“ spielt Joachim Nimtz den sogar in Sexszenen harmlosen Besucher Kurt bzw. „Das Mumienwesen“, als wäre er aus einem Boulevardstück ausgeborgt. Das passt aber schon wieder: Ein Höllenstück, ein Lustspiel und allerhand Brimborium – wie eine Rache an Strindberg wirkt diese bizarre Mischung.

Nächste Termine: 4., 13., 23. November

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2011)

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