Für Allah und Gaddafi

Fuer Allah Gaddafi
Fuer Allah Gaddafi(c) EPA (STR)
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Der serbische Islamist, der die US-Botschaft in Sarajewo angriff, hatte seine ersten Kontakte zu Radikalen möglicherweise in Wien geknüpft.

Die entgeisterten Augenzeugen im Zentrum der bosnischen Hauptstadt fühlten sich wie in einen schlechten Film versetzt. „Allah ist groß“, rief der junge Mann mit dem Vollbart, als er am Freitag gegen 15.40 Uhr mitten im einsetzenden Feierabendverkehr von der Bushaltestelle in der Nähe des Hotels Holiday Inn aus mit einer Kalaschnikow das Gebäude der US-Botschaft unter Feuer nahm.

Mit der Waffe im Anschlag schlenderte der Mann im langen braunen Mantel dann minutenlang um die Haltestelle, während er lautstark die Botschaftsangehörigen zum Verlassen des Hauses aufforderte. „Ich tue das wegen Gaddafi – und weil Amerikaner auf der ganzen Welt die Moslems töten“, rief er.

Ein Scharfschütze der bosnischen Polizei beendete schließlich um 16.15 Uhr den Spuk. Mit Schussverletzungen im Bein wurde der überwältigte Mevludin Jasarevic umgehend in die Universitätsklinik von Sarajewo eingeliefert.

Der 23-Jährige aus dem serbischen Sandschak ist nicht nur der Justiz in Bosnien-Herzegowina bekannt, sondern auch in Serbien und Österreich. Im Dezember 1988 in Novi Pazar geboren, kam der muslimische Serbe in jungen Jahren nach Österreich. 2005 überfiel er eine Bank in Wien-Alsergrund und erbeutete 100.000 Euro. Die Polizei fasste ihn. Jasarevic wurde zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Danach schoben ihn die österreichischen Behörden in seine Heimat ab.

„Für uns endet die Geschichte 2008“, sagt Brigadier Karl-Heinz Grundböck, der Sprecher des Innenministeriums, zur „Presse am Sonntag“. Es gebe auch keine Erkenntnisse, dass sich Jasarevic in Österreich radikalisiert habe.

Genau das behauptet aber eine Tante des Attentäters. Ihr Neffe habe seine ersten Kontakte zu radikalen Islamisten in Österreich geknüpft, sagte sie zur bosnischen Zeitung „Dnevni avaz“.

Es existiert noch ein anderer möglicher Österreich-Konnex: Laut einem von bosnischen Medien veröffentlichten Polizeidossier hielt sich Jasarevic in den vergangenen eineinhalb Jahren überwiegend im bosnischen Wahhabiten-Dorf Gornja Maoča auf. Dort traf er angeblich auch namentlich genannte Glaubensbrüder aus Österreich, der Schweiz und Deutschland: In dem Nest mit seinen bestenfalls einigen hundert Einwohnern nahe Brčko und der Grenze zu Kroatien hatte die Polizei im Februar 2010 bei einer Razzia acht militante Wahhabiten verhaftet.

Geld in die islamistische Hochburg soll auch aus Österreich geflossen sein. Ein Imam in Wien sammelte angeblich Spenden für Maoča. Das Innenministerium konnte diese Gerüchte am Samstag nicht bestätigen.

Fest scheint jedoch zu stehen, dass sich Jasarevic spätestens nach seiner Entlassung aus österreichischer Haft unter dem Wahlnamen „Abdurahman“ den Wahhabiten anschloss. Diese Gruppierung dogmatischer Moslems beansprucht die authentische Auslegung des Islams für sich: Die Anhänger der aus Saudiarabien stammenden Lehre rekrutieren nicht nur in Bosnien und dem serbischen Sandschak, sondern auch in der westeuropäischen Diaspora junge Muslims als Anhänger.

Beim Ausbruch des Bosnien-Kriegs 1992 hatte der damalige Staatspräsident Alija Izetbegović auch arabische Staaten um Bruderhilfe gebeten. Das Haus Saud half gern: Neben hunderten freiwilliger Kämpfer machten sich Scharen von Missionaren und Agenten als Mitarbeiter humanitärer Organisationen nach Bosnien auf. Wie im Friedensvertrag von Dayton festgelegt, zogen nach Kriegsende 1995 fast alle Mudjaheddin wieder ab. Doch die Saat des radikalen Islamismus war gelegt im einst liberalen Bosnien.

Auch im serbischen Sandschak wurde zu Beginn des letzten Jahrzehnts ein wachsender Zulauf zu den Wahhabiten registriert. Nachdem die Justiz März 2007 eine zwölfköpfige Gruppe Militanter wegen der Planung terroristischer Anschläge zu langjährigen Haftstrafen verdonnert hatte, schien der Einfluss der Radikalen in der einstigen Textilstadt aber zu sinken.

Der chaotische Anschlag in Sarajewo wirkte zwar kaum durchdacht. Doch ob Jasarevic ein wirrer Einzeltäter ist oder mit internationalen Terrorgruppen in Verbindung steht, ist ungewiss. Bei Hausdurchsuchungen in Novi Pazar, Sjenica und Tutin nahm Serbiens Polizei am Samstag jedenfalls 15 Wahhabiten vorübergehend fest.

Rambo-Messer. Den Attentäter von Sarajewo hatten Serbiens und Bosniens Polizei länger im Visier. Bereits Ende 2010 war er verhaftet worden, als er nahe des Rathauses von Novi Pazar den Besuch von zehn westlichen Botschaftern mit einem langen „Rambo“-Messer im Mantel erwartete. Damals baten Serbiens Behörden auch das Innenministerium in Wien um Auskünfte.

Am Tag des Anschlags soll der Attentäter von Sarajewo erst am Morgen von Serbien aus nach Bosnien eingereist sein. Ob Jasarevic sein Sturmgewehr auch über die Grenze schmuggelte oder es erst von Helfern in Sarajewo erhielt, ist ungewiss. Bei seiner Festnahme trug er zudem noch zwei Handgranaten bei sich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2011)

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