Facebook-Faymann ist (noch lange) kein Strache

FacebookFaymann noch lange kein
FacebookFaymann noch lange kein(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Kanzler Werner Faymann ist nun zwar auf Facebook, die dazugehörige Persiflage auch, so wirklich angekommen ist die österreichische Politik in der Social-Media-Welt aber noch nicht.

Werner Faymann gratuliert dem Rechnungshof zum 250. Geburtstag. Werner Faymann erklärt die Hebelwirkung des EU-Rettungsschirms. Werner Faymann posiert mit Nicolas Sarkozy. 3132 Personen gefällt das – Stand Samstagnachmittag.

Werner Failmann gefällt das nicht so wirklich. Seit der Bundeskanzler seinen Facebook-Auftritt am Nationalfeiertag launchte, treibt sich auch seine Parodie im Internet herum – und macht sich über ihn lustig. Auch das gefällt vielen: 3725 Personen – Stand Samstagnachmittag.

Doch Netz-Experten sind vom jüngsten Neuzugang in der Welt der Social Media nicht restlos überzeugt. Wie Österreichs Politik an sich noch nicht wirklich im Web 2.0 angekommen sei. „Für das Social Web braucht es Zeit und Engagement – zwei Dinge, bei denen für Österreichs Politiker noch erheblicher Nachholbedarf besteht“, sagt Uta Rußmann vom Fachbereich Politische Kommunikation und Neue Medien an der Uni Innsbruck. „Es werden zu wenig Aktionen gesetzt, es wird zu wenig interagiert, diskutiert oder mit den Bürgern kooperiert.“ Die Volksvertreter hätten Angst vor Kontrollverlust, kritisiert die Politikwissenschaftlerin, und Marko Zlousic, Social Media Consultant bei Echonet Communication und politx.at-Blogger, urteilt: „Die politische Onlinekommunikation befindet sich – mit Ausnahmen– in einer Schockstarre, aus der sie sich krampfhaft zu befreien versucht.“


Vorbild Strache.
41 Prozent aller Mandatare des Nationalrats, der Landtage und der Landeshauptstädte nutzen laut einer im August veröffentlichten Studie der Agentur Wiko Wirtschaftskommunikation in Form von privaten Profilen oder Fanseiten Facebook. Besonders aktiv sind grüne und freiheitliche Abgeordnete. Bei den Grünen sind 71 Prozent der Abgeordneten auf Facebook präsent, bei der FPÖ 49 Prozent. Absoluter Spitzenreiter bei den Fans ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit über 105.000 Anhängern. Von einer „Ausnahmestellung im deutschsprachigen Raum“ spricht FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Strache sei eben „der Kommunikator, der am besten zu diesem Medium passt“.

Gerade einmal vier Prozent der politischen Vertreter kommunizieren über Twitter. Dabei biete gerade Twitter einen authentischen Weg, um mit den Bürgern zu kommunizieren, sagt Wolfgang Zeglovits, Geschäftsführer bei der Datenwerk Innovationsagentur: „Dort gibt es kein Versteckspiel mit leeren Floskeln, dazu ist bei einer Länge von 140 Zeichen einfach zu wenig Platz.“

Das Politikervakuum auf Twitter führt immer wieder zu Fake-Versuchen. So begannen am 19.Oktober „drwernerfaymann“ und „drspindelegger“ zu „zwitschern“ – mit Tweets wie „Ich war ja immer schon ein Nerd, so wie ihr. Wohnungsbau-Nerd“ (der falsche Kanzler) oder „Ich werde jetzt eines von diesen WLAN für das Parlament kaufen lassen. Endlich nicht nur Sudoku“ (der falsche Vizekanzler). Beide Fake-Accounts wurden allerdings schnell wieder gelöscht.

Der echte Werner Faymann verfügt nun über die neue Website bundeskanzler.at, ein Facebook-Profil, eine App für iOS und Android und einen YouTube-Channel. Ein eigenes Redaktionsteam mit sieben Mitarbeitern betreut den Facebook-Auftritt. Faymann wolle aber „so viel wie möglich selber posten“, sagt die Projektverantwortliche, Faymanns frühere Pressesprecherin Angelika Feigl. Was vom Kanzler persönlich und was von seinen Mitarbeitern stammt, soll stets klar erkennbar sein – Faymann schreibt als Einziger in Ich-Form. Getwittert wird – zumindest vorerst – allerdings ausschließlich von den Mitarbeitern. Die Kommunikationsplattform diene in erster Linie nur dem Anteasern von Neuigkeiten in anderen Kanälen, erklärt Feigl.

Das Internet vergisst nie. „Ich hoffe, der Kanzler hält, was er verspricht“, meint Expertin Rußmann. Sie kritisiert, dass sich das Regierungsoberhaupt schon 2009 einen Twitter-Account zugelegt, bis jetzt aber vernachlässigt hat. Monatelang fanden sich darauf nur zwei Statusmeldungen. „Ein solches Vorgehen ist schlechte PR“, sagt die Politologin. „Im Social Web dreht sich alles um den Austausch. Findet dieser nicht statt, ist es besser, ich lasse es gleich sein, denn das Internet vergisst nie – schon gar keine Fehler.“

Auf eine Zahl an Twitter-Followern oder Facebook-Freunden, die man mindestens erreichen will, legt sich Faymanns Social-Media-Beauftragte Feigl nicht fest. An Strache werde man aber „wahrscheinlich eher nicht“ herankommen, räumt sie ein. Der Kanzler werde anders als Strache auch nichts Persönliches auf Facebook preisgeben. Gleichzeitig legt Feigl Wert darauf, dass es sich nicht um einen SPÖ-Auftritt handle. Es gehe bei der Social-Media-Initiative darum, die Arbeit des Kanzlers darzustellen, nicht die der Partei.

„Damit haben sie immerhin ein sehr wichtiges Prinzip verinnerlicht, nämlich, dass es im Web um Themen und Personen, nicht um Parteien geht“, erklärt Zlousic. „Eine Partei kann niemals so spannend und gehaltvoll sein wie ein Politiker.“ Allerdings hapere es bei den heimischen Politikern noch mit der Spannung: „Unsere Politiker müssen im Netz sexier und authentischer werden. Immerhin sprechen wir hier von sozialen Medien und sozial können nur Menschen sein – ich will von einem Menschen vertreten werden, nicht von einem Roboter.“

Grundsätzlich gebe es in Österreich drei Arten von „digitalen Politikern“, wie Zlousic erläutert: „Jene, die sich bemühen, selbst etwas zu verfassen und den Kontakt zu anderen Nutzern suchen. Jene, die es nutzen, aber als Informations- statt Dialogmedium verstehen. Und jene, die es machen, weil sie es machen müssen.“ Zur ersten Kategorie zählen vor allem Politiker der Grünen. „Wir waren in Österreich die Pioniere“, sagt Grünen-Sprecher Reinhard Pickl-Herk. Unter den Top-100 bei Twitter in Österreich befänden sich fünf Grüne – als einzige Politiker. Großen Zuspruch habe man auch bei Online-Petitionen, etwa jener für ein Bleiberecht für Arigona Zogaj oder gegen Atomkraft.

Einem müssen sich aber auch die „Pioniere“ geschlagen geben: „Bei Facebook ist Strache einsame Spitze, das muss man neidlos anerkennen“, sagt Pickl-Herk. In allen anderen Web-Bereichen sieht er die Grünen aber führend. Das nächste Projekt der Partei ist es, den Online-Auftritt mit Web 2.0 zu verschmelzen – wie, das ist laut Pickl-Herk gerade in der Planung.

Bei der Nutzung des Social Web handle es sich eher um ein Phänomen, dass „sich Politiker der zweiten Reihe zu eigen machen“, sagt Zeglovits. Anders als Spitzenpolitiker würden sie verstärkt den direkten Draht zu einer potenziellen Wählerschaft suchen. „Der größte Teil der heimischen Politik hat noch nicht begriffen, dass er es mit Bürgerinnen und Bürgern zu tun hat und nicht so sehr mit Wählerinnen und Wählern.“ Derzeit würden die Parteien dazu tendieren, nur in Wahlkampfzeiten in einen Webauftritt zu investieren, kritisiert Zeglovits. „Die Websites sind gewissermaßen Parteizeitungen im Netz.“ Es fehle der Wille, sich auf eine Diskussion einzulassen und die dafür nötigen Ressourcen freizumachen.

Die Obama-Authentizität. Die Experten raten den heimischen Politikern auch, weniger Angst vor Fehlern zu haben. „Gerade Politiker stehen vor der Schwierigkeit, zu versuchen unantastbar zu sein. Das ist der falsche Weg“, so Zlousic und verweist auf den US-Präsidenten: „Barack Obama schrieb einmal: I am frustrated. Diese Aussage macht ihn menschlich. Man kann sich mit ihm identifizieren und mit seinen Ideen mehr anfangen. Es sollte mehr solche gläsernen Politiker geben, die auch mal Klartext reden.“

Zu viel Klartext hat allerdings den früheren FPÖ-Nationalratsabgeordneten Werner Königshofer seine Parteimitgliedschaft gekostet. Er postete auf seiner Homepage und auf Facebook wiederholt grenzwertige Aussagen, bis der Parteiführung der Kragen platzte.

2013 steht jedenfalls die nächsten Nationalratswahl an. Und da wird das Internet eine größere Rolle spielen als je zuvor. Die nachrückende Wählerschaft sei mit dem Web aufgewachsen, betont Rußmann. „Wenn ihnen nicht eine umfangreiche Präsenz der Partei oder der Politiker präsentiert wird, dann stellen sich die Kandidaten selbst ins Abseits.“ Dabei sollte man auch die Ansicht über Bord werfen, dass ein Wahlkampf nur auf wenige Monate vor dem Urnengang beschränkt sei. „Wenn man etwas langsam aufbaut, wächst mit der Zeit die Zielgruppe und mit ihr der eigene Auftritt“, sagt Marko Zlousic. Und fügt optimistisch hinzu: „Ich glaube, dass 2013 ein tolles Online-Wahljahr werden könnte.“

Facebook

105.000 Anhänger hat Heinz-Christian Strache auf Facebook.

3132 Anhänger hatte Werner Faymann gestern Nachmittag.

3725 Anhänger hatte die parodistische Kopie Werner Failmann.

41 Prozent aller politischen Mandatare nutzen laut einer Wiko-Studie Facebook.

71 Prozent der Grünen-Abgeordneten sind auf Facebook präsent.

49 Prozent sind es bei der FPÖ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2011)

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