Weltwirtschaft: Falsches Hoffen auf den "Retter" China

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Weltwirtschaft Falsches Hoffen Retter(c) AP (Ng Han Guan)
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Bei seinem Besuch in Wien ruhen die Hoffnungen der Europäer auf Chinas Präsident Hu. Peking soll der EU bei ihrer Schuldenmalaise beistehen. Dabei sind die chinesischen Finanzen selbst in Bedrängnis.

Wenige Tage nach dem europäischen Krisengipfel in Brüssel macht nun Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao auf dem Weg zum G20-Treffen im französischen Cannes Station in Wien. Er wird von einer 160-köpfigen Delegation begleitet, zu der auch eine Reihe von Wirtschaftsexperten und Managern gehört. Sie soll, so der Wunsch der Gastgeber, möglichst viele neue Aufträge für österreichische Firmen im Gepäck haben und dafür sorgen, dass die österreichischen Exporte nach China weiter zunehmen. Mit ihrem Devisenschatz von über 3,2-tausend Milliarden Dollar, den Chinas Zentralbank als Folge der großen chinesischen Handelsüberschüsse angehäuft hat, sind Pekings Politiker im Ausland derzeit besonders gern gesehene Gäste.

Doch die Finanzstärke, mit der China nach außen auftritt, kann nicht über die Schwierigkeiten hinwegtäuschen, mit denen die Pekinger Regierung derzeit innerhalb ihres eigenen Landes konfrontiert ist.

Gemeinsamkeiten China/EU

Bei genauem Hinsehen auf die Finanzlage lassen sich in diesen Tagen zwischen Europäern und Chinesen mehr Gemeinsamkeiten entdecken, als es zunächst scheinen mag: Nicht nur Europa kämpft mit den Folgen von gewaltigen Staatsschulden, von denen niemand recht weiß, wer dafür bezahlen wird.

--> Proteste in der Wien City

Längst raufen sich auch chinesische Wirtschaftspolitiker die Haare, weil sie nicht wissen, wie sie mit einer Kreditschwemme im Land fertig werden sollen. Intern geben Funktionäre zu, dass Milliarden von Dollar falsch investiert wurden – und womöglich für immer verloren sind. Der Kern der Malaise, sagen Experten wie die Oxford-Professorin und China-Expertin Christine Wong, die als Beraterin der Weltbank und anderer internationaler Institutionen viel durch das Land reist: „Die Zentralregierung hat ein riesiges makroökonomisches Kontrollproblem. Sie hat längst nicht mehr im Griff, was die Behörden auf lokaler Ebene tun.“

China steht womöglich vor einer gewaltigen Schuldenexplosion. Nicht nur Metropolen wie Shanghai und Peking, sondern auch andere Millionenstädte sowie tausende kleinerer Ortschaften stehen bei den staatlichen Banken tief in der Kreide.

Mitschuld daran ist das gewaltige Stimuluspaket aus dem Jahr 2008, mit dem Premierminister Wen Jiabao versucht hat, sein Land vor den Folgen der aus den USA herüberschwappenden Finanzkrise zu schützen und so weit wie möglich Pleiten zu verhindern. Damals versprach Peking, rund 440 Milliarden Euro (nach heutigem Umrechnungskurs) in die Wirtschaft zu pumpen. Von diesem Geld stammten allerdings nur 133 Milliarden aus dem Staatshaushalt. Der Rest sollte von den Banken, Staatsbetrieben und Privatleuten kommen.

Die Folge: Die Bürgermeister allerorten erhielten von den Banken so viel Geld, wie sie beanspruchten, und oft noch mehr. Der Haken: Niemand führte Buch über die Kredite. „Es gab niemanden, der Rechenschaft verlangte, für was sich die Gemeinden wie viel zusammengeborgt haben“, berichtet Finanzexpertin Wong. „Sie verfielen allesamt in einen Kreditrausch.“ Gleichzeitig druckte die Pekinger Zentralbank eifrig frische Yuan. Mit rund 155 Milliarden Euro sollen die Kommunen in der Kreide stehen. Das Geld kam von einem Konglomerat von Staats- und Privatunternehmen, Untergrundbanken und privaten Spekulanten, die wiederum rege Geschäfte mit Schuldscheinen machten. Die Zentralregierung ist zwar im vergangenen Jahr auf die Kreditbremse getreten – doch vielerorts wollen sich die Banken nicht an die Vorgaben aus Peking halten, weil sie fürchten, damit könne eine Pleitewelle ausgelöst werden. Dazu droht ein Platzen der durch den Kreditrausch angeheizten Immobilienblase.

Erlahmt Nachfrage aus China?

Ein neues Stimuluspaket wie das von 2008 dürfte in China daher so schnell nicht mehr geschnürt werden. „Die Politiker in Peking sind vorsichtiger geworden“, sagt Expertin Wong. Um den Schuldenberg abzutragen, haben sie inzwischen einige der großen Infrastrukturprojekte gestoppt, darunter den weiteren Ausbau der Trasse für Hochgeschwindigkeitszüge.

Für europäische Exportnationen wie Österreich und Deutschland, die sich mit chinesischen Aufträgen etwa für Maschinen oder Signaltechnik durch die Krise retten konnten, sind das keine guten Aussichten.

Auf einen Blick

Chinas Präsident Hu Jintao und seine Frau Liu Yongqing werden heute, Montag, um 9.30 Uhr von Bundespräsident Heinz Fischer im inneren Burghof empfangen. Hu nimmt danach Termine mit Präsident Fischer, Bundeskanzler Werner Faymann und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer wahr. Beim Besuch in St. Gilgen und Salzburg hat Hu Gelegenheit, sich vor dem G20-Gipfel in Cannes am 3. und 4.November zu entspannen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2011)

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